Gastkommentar

Kampfbegriff Islamophobie

Wer den Islamismus kritisiert, kann heute rasch als „islamophob“ angeklagt werden. Höchste Zeit, dass das wieder aufhört.

Mit seinen unglücklichen Äußerungen zur „Islamophobie“ hat Bundespräsident Alexander van der Bellen einen Begriff thematisiert, der zuletzt besonders bei radikalen Islamisten stark an Popularität gewonnen hat. Pseudowissenschaftlichkeit und Instrumentalisierung durch radikale Gruppen sollten aber Grund genug sein, um den Begriff aus dem öffentlichen Diskurs zu verbannen.

1997 veröffentlichte der britische Think-Tank Runnymede Trust eine Studie zum Thema „Islamophobie“. Der neue Begriff, der eine grundsätzliche Feindseligkeit gegenüber Islam und Muslimen beschreiben sollte, wurde von Medien und Politik aufgegriffen und hat sich als fixer Bestandteil der Debatte über Islam, Integration und Multikulturalismus etabliert.

Durch den diskursiven Anschluss der „Islamophobie“ an den sozial geächteten Antisemitismus wurden nicht nur die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, sondern vielfältige Formen der Islamkritik unter Generalverdacht gestellt. Die Bezeichnung als „Phobie“ suggeriert dabei eine pathologische Komponente, definiert also jegliche kritische Auseinandersetzung mit dem Islam und Muslimen als irrationale Angst, die keine faktische Grundlage hat. Islamkritikern wird unterstellt, dass sie sich außerhalb des westlichen Wertekonsenses befänden und deshalb illegitime Meinungen verträten.

Pathologisierung der Kritiker

Alle Versuche, für „Islamophobie“ irgendeine Art von wissenschaftlich brauchbarer Definition zu finden, sind bisher kläglich gescheitert. Das hat Organisationen und Vertreter des islamistischen Spektrums, allen voran die Muslimbrüder, bisher jedoch nicht davon abgehalten, ihre eigene Position damit moralisch zu erhöhen und sich gegen Kritik zu immunisieren

Der Islamismus reiht sich damit nahtlos in die Phalanx jener Ideologien ein, die ihre argumentative Schwäche durch Pathologisierung der Kritiker und Pseudowissenschaftlichkeit wettzumachen versuchen. Zuletzt hat die türkische Regierung die Kritik der EU an den innenpolitischen Entwicklungen als „Islamophobie“ zurückgewiesen. Bereits 2011 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Versuch des französischen Parlaments, die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe zu stellen, als „islamophob“ bezeichnet.

In Österreich hat sich Farid Hafez, der die ägyptischen Muslimbrüder als demokratische Kraft bezeichnet hat, als Experte für „Islamophobie“ etabliert. Islamismuskritiker wie Amer Albayati oder Efgani Dönmez hingegen haben klare Worte gefunden und „Islamophobie“ als Kampfvokabel der Islamisten bezeichnet.

Übrigens hat sich Trevor Phillips, der 1997 als Leiter des Runnymede Trust die Studie über „Islamophobie“ in Auftrag gegeben hatte, mittlerweile von dem Begriff distanziert. 2016 beklagte er in einem Zeitungskommentar, dass damit eine offene Debatte über den Islam verhindert und Kritiker der Zuwanderungs- und Integrationspolitik stigmatisiert würden. Nach den unglücklichen Aussagen von Alexander van der Bellen wäre es an der Zeit, den Begriff „Islamophobie“ auch in Österreich endgültig zu entsorgen.

Dr. Helmut Pisecky ist Historiker und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Mar Adentro. Er ist Autor der Studie „Islamophobie – zur (De)Konstruktion eines politischen Kampfbegriffs“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2017)

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