Gastkommentar

Der Kampf der Unis gegen den Absturz ins Provinzielle

Die Ministerin hat hat recht: „Wenn man so weitermacht, riskiert man alles.“

Österreich hat 300.000 Studierende an den Universitäten und ein jährliches Budget von 3,6 Milliarden; die etwas kleinere Schweiz versorgt mit einem Budget von 5,4 Milliarden 140.000 Studierende. Die Uni Wien mit ihren 94.000 Studierenden hat dasselbe Budget wie die Uni Zürich mit ihren 25.000 Studierenden, das Verhältnis zwischen ETH Zürich und TU Wien ist noch grotesker. Wollen wir, will Österreich so „innovation leader“ werden?

An der Uni Wien beginnen pro Jahr ca. 15.000 Studierende ihr Studium. Nach vier Jahren wurde etwa die Hälfte der belegten Studien abgebrochen, und ein auf drei Jahre angelegtes Bachelorstudium haben nach vier Jahren 18 Prozent abgeschlossen. Ist das nicht Vergeudung von Lebenszeit und Ressourcen?

Mehr Budget ist eine Notwendigkeit, aber ebenso sind eine bewusstere Studienwahl und mehr Verbindlichkeit im Studium notwendig. Das Wissenschaftsministerium und Uni-Rektorinnen haben in detaillierter Arbeit (kein „Husch-Pfusch“, wie eine SPÖ-Abgeordnete meint) ein System aus an Bedarfs- und Leistungsindikatoren orientierter Finanzierung und moderater Zugangssteuerung (viel milder als von der damaligen uniko-Präsidentin Sonja Hammerschmid gefordert) entwickelt.

Massive Unterfinanzierung

Bundesminister Harald Mahrer verfolgt diese Linie konsequent weiter. Auch Bundeskanzler Christian Kern hat die massive Unterfinanzierung der Universitäten festgestellt und sich in seinem Plan A für eine „stärkere Steuerung der Studierenden-Flüsse seitens der öffentlichen Hand sowie eine Verbesserung des Beratungsangebotes für die Berufs- und Studienwahl, parallel zur Aufstockung der Mittel“ ausgesprochen! Und das soll jetzt nicht umgesetzt werden?

Können im Wissenschaftsausschuss nicht etwa zehn Seiten an Gesetzes- und Verordnungstext in wenigen Wochen verhandelt und dann im Nationalrat beschlossen werden? Kann man nicht die dafür notwendige Ernsthaftigkeit und den dafür notwendigen Einsatz erwarten? Es geht um nichts weniger als um bessere Studien- und Forschungsbedingungen – die Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Standorts! Und sieht soziale Gerechtigkeit so aus, dass jene, die es sich leisten können, an ausländischen Spitzenunis studieren?

Will man Erreichtes riskieren?

Die Finanzierung der österreichischen Universitäten konnte zuletzt zwar moderat, aber doch merklich gesteigert werden. Für die Uni Wien ermöglichte dies trotz stärker steigender Studierendenzahlen eine deutliche Qualitätsverbesserung in allen Aspekten ihrer Tätigkeit, insbesondere im Zusammenhang mit unserer internationalen Berufungspolitik. In vielen Bereichen gehört die Universität Wien zur Weltklasse. Gerade in diesen Gebieten – z.B. Mikro- und Molekularbiologie oder Quantenphysik – wird in anderen europäischen und insbesondere außereuropäischen Ländern stark investiert.

Mit jährlich mehr als 10.000 Absolventen trägt die Uni Wien enorm zum „Output“ des österreichischen Bildungssystems bei. Mit der zur Umsetzung der Studienplatzfinanzierung verbundenen Budgeterhöhung könnten wir nun einen weiteren großen Schritt zur qualitativen Verbesserung setzen.

In den letzten Jahren wurde für Österreichs Universitäten viel erreicht. Sollen wir jetzt wirklich riskieren, auch in den Fächern, bei denen wir Weltniveau haben, den internationalen Anschluss zu verlieren? Hammerschmid sagte am 21.12.2015: „Wenn man so weitermacht, riskiert man alles.“ Sie hat recht, und deshalb ist nun die Zeit zum Handeln gekommen. Oder ist tatsächlich nur Wahlkampf?

Heinz W. Engl (*1953 in Linz) ist Universitätsprofessor für Industriemathematik und seit 2011 Rektor der Universität Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2017)

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