Replik

Einspruch! Afrika braucht keinen Marshallplan

Das Problem Afrikas ist nicht fehlendes Geld, sondern es fehlen Ideen und Projekte.

Sowohl der Begriff als auch das Konzept eines Marshallplans, wie es zuletzt häufig in der öffentlichen Diskussion auftauchte, sind für Afrika falsch gewählt. Dem afrikanischen Kontinent fehlt es nicht an Geld, sondern es fehlt ihm an Ideen und Projekten.

Die europäischen Politiker überschlagen sich dennoch in ihrer Forderung nach einem Marshallplan für Afrika: Zuletzt taten das in Gastkommentaren in der „Presse“ auch der ehemalige ÖVP-Landwirtschaftsminister Josef Riegler (9. 6.) oder der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble (14. 6.). Aber allein dadurch, dass eine Forderung vielfach wiederholt wird, wird sie nicht richtig.

Sowohl der Begriff als auch das Konzept Marshallplan sind falsch. Dieser wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Wiederaufbau der durch einen Krieg zerstörten industrialisierten Staaten geschaffen. Sowohl in seiner Bedeutung als auch in seinem angeblichen Erfolg wird der Marshallplan regelmäßig überschätzt.

Populärwissenschaftliches Hörensagen vermischt sich oftmals mit simpler persönlicher historischer Verklärung. Ein wenig kritische Distanz und ein bisschen einschlägige wissenschaftliche Literatur würden da jedenfalls nicht schaden, um die Relationen wieder zurechtzurücken.

Keine einfachen Rezepte

Die – durchwachsene – Erfolgsgeschichte des Marshallplans in Westeuropa kann sich in Afrika so jedenfalls nicht wiederholen lassen. Die Staaten Afrikas sind „Spätindustrialisierer“. Für eine nachholende Industrialisierung gibt es aber keine einfachen Rezepte; mehr Geldmittel sowie zusätzliche Finanzierungslinien allein reichen nicht. Wenn das so wäre, wären die Probleme längst gelöst.

Die EU allein gibt seit über 50 Jahren jährlich drei bis vier Prozent ihres Budgets als Entwicklungshilfe nach Afrika. So wurden rund 141 Milliarden Euro von der EU und ihren Mitgliedstaaten von 2007 bis 2013 bereitgestellt. Das ODA-Gesamtvolumen der EU-Kommission für Afrika beläuft sich auf über 31 Milliarden Euro für den Zeitraum 2014 bis 2020.

Welches Afrika ist gemeint?

Afrikas anhaltendes Problem ist nicht das fehlendes Kapital, sondern der Mangel an sinnvollen, förderwürdigen Vorhaben. Experten weisen regelmäßig darauf hin, dass genügend (und manchmal sogar vielleicht zu viel) Finanzmittel für Afrika zur Verfügung stehen. Nicht das Geld fehlt, sondern die Ideen. Die zunehmende Zweckentfremdung von EZA-Geldern für den Sicherheits- und Verteidigungssektor unterstreicht das. Nicht abgerufene Entwicklungsgelder werden so etwa in die Finanzierung und den Betrieb der afrikanischen Sicherheits- und Verteidigungsinfrastruktur umgeleitet. Wenn Josef Riegler etwa davon träumt, sein Modell der ökosozialen Marktwirtschaft – leistungsorientierte Marktwirtschaft, soziale Solidarität und ökologische Nachhaltigkeit – nach Afrika zu verpflanzen, stellt sich einfach die Frage, welches Afrika er damit eigentlich beglücken will.

Etwa das Afrika eines Sebat Efrem? Er ist Oberbefehlshaber in Eritrea – dem Nordkorea Afrikas und Ausgangspunkt anhaltender Flüchtlingsströme. Oder gar das Afrika eines Robert Mugabe? Er herrscht seit 1980 durchgehend in Zimbabwe und hat die frühere Kornkammer des südlichen Afrika wirtschaftlich und politisch ruiniert. Welches dieser Afrika soll in den Genuss dieses ominösen Marshallplans kommen?

Und mit welchem dieser „Staatsmänner“ will Schäuble eigentlich seine Investitionsfinanzierungen verhandeln, wenn er schon angesichts renitenter griechischer Politiker an seine Grenzen stößt?

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2017)

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