Gastkommentar

Bitte einen Psychiater für die "Ritter der Eurofighter"

Militärische Fluggeräte erzeugen in Österreich einfach mehr Aufsehen als anderswo. (Szene aus Ritter der Kokosnuss)
Militärische Fluggeräte erzeugen in Österreich einfach mehr Aufsehen als anderswo. (Szene aus Ritter der Kokosnuss)Monty Python/Screenshot Youtube
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Es ist wieder einmal so weit: Das Dauerthema Abfangjäger hat uns wieder. Ganz gesund können wir nicht sein. Seit mehr als 20 Jahren reibt sich die Politik auf einem faktisch bedeutungslosen Nebenschauplatz auf, und es gibt nur Verlierer. Ein bitterer Kommentar - zwar von 2017, aber im Grunde weiter aktuell.

Keine der politischen Parteien Österreichs hat im Zuge der endlosen Debatten über Kampfflugzeuge - diese fliegenden Objekte, die es weltweit zu Tausenden gibt und im Grunde nirgendwo sonst als Problembären, Exoten, Glump, ja regelrechte Feindbilder angesehen werden - an Reputation gewonnen. Vielleicht bekam die eine oder andere dadurch ein paar Wählerstimmen, aber die sind vergänglich. Und was sonst?

Peter Pilz scheint in seinem ewigen Kampf gegen Militärgerät ein Winner zu sein, aber er ist auch ein Verlierer: Er ist in seiner Partei angesichts neuer ideologischer Kraftfelder gescheitert und kann außer gestreuten Gerüchten auch 14 Jahre nach der Unterschrift unter den Eurofighter-Typhoon-Kaufvertrag samt zweier parlamentarischer U-Ausschüsse und mehrerer Rechnungshofprüfungen keinen Verurteilten vorweisen.

Verlierer ist auch das Heer. Es müht sich seit jeher nach Kräften, aus dem mageren Vorhandenen das Beste zu machen, und bleibt doch Spielball der Innenpolitik.

Sicherheits- und industriepolitischer Reputationsverlust

Eine Verliererin ist die Republik, der sicherheitspolitische Reputationsverlust ist international gewaltig. Das Kopfschütteln über das, was in diesem Land so fabriziert wird, nimmt zu. Ernst nehmen kann man das nicht mehr.

Verlierer sind auch die industriellen Anbieter von Kampfflugzeugen, denen eine Anbotslegung viel Geld kostet, die teils mit fadenscheinigen Argumenten rechtzeitig ausgeschieden werden, damit ja der "Richtige" gewinnt - und wo dann der Sieger alsbald damit konfrontiert wird, dass die Reputation seines Produkts, das in mehreren anderen, richtig großen Luftwaffen vollausgestattet und problemlos fliegt und sehr geschätzt wird, mit skurrilen Behauptungen wie „es ist nicht nachtflug- oder schlechtwettertauglich" in den Schmutz gezogen wird.

Verlierer sind nicht zuletzt auch die Steuerzahler. Sie bezahlen für die teils skurrilen Entscheidungen mit ihrem hart verdienten und leicht einkassierten Steuergeld.

Nur weg hier, dürfte man sich als österreichischer Typhoon-Pilot sagen. (Das Bild entstand nahe Kitzbühel)
Nur weg hier, dürfte man sich als österreichischer Typhoon-Pilot sagen. (Das Bild entstand nahe Kitzbühel)Bundesheer/Vzlt Martin Hörl

Und wozu? Die Luftraumüberwachung, ja die ganzen Luftstreitkräfte spielen in Österreichs Bundesheer eine untergeordnete Rolle. Es gibt im ganzen Generalstab nicht einen ausgebildeten Jetflieger! Das Heer selbst wiederum spielt in der österreichischen Politik - auch budgetär - eine untergeordnete Rolle. Kein vergleichbar großes und vermögendes Land leistet sich so wenig Militär. Ja: Wir dürfen uns glücklich schätzen, mit unseren Nachbarn so gute Beziehungen zu haben, dass wir uns nicht fürchten müssen. Wir haben keine „kalte" Front wie Armenien und Aserbaidschan, und Gottlob keine heiße wie Russland und die Ukraine.

Wir punkten mit Können, nicht Kanonen

Die internationale Reputation des Bundesheeres – und die ist nicht gering - schöpft sich nicht aus einer Vielzahl modernsten Geräts, sondern aus gut ausgebildeten Offizieren und Mannschaften, die in internationalen Übungen und Einsätzen mit Leistung, Innovation und oft Improvisation Eindruck hinterlassen, nicht aber mit dem letzten Schrei an Ausrüstung.

Wie vielen Österreichern etwa ist bekannt, dass eine Abordnung des Panzerbataillons 14 (Wels) erst im Mai in Bayern einen fünftägigen internationalen Wettbewerb in Panzerkriegsführung gewonnen hat? Dass man dabei in acht von 12 Disziplinen Gold holte und mit mittlerweile eigentlich nicht mehr allzu modernen Leopard-2-Kampfpanzern Teams aus Deutschland, den USA, Frankreich, Polen und der Ukraine geschlagen hat?

Im Inneren hingegen ist die Bedeutung des Heeres winzig, bestenfalls noch besser zu ermessen, wenn Naturkatastrophen zu bewältigen sind und man zum Schaufeln, Sandsackschleppen und zu Hubschrauber-Rettungseinsätzen antreten darf.

Wieso machen wir aus Mäusen ein Elefantentheater?

Was ist es also, das einen marginalen Bereich eines marginalen Ressorts so attraktiv zum Streiten macht? Wieso wird so ein Theater nicht um den letzten Schrei der Medizintechnik gemacht, um öffentliche Verkehrsmittel oder Subventionen für die Landwirtschaft? All das kostet auch sehr viel, ja viel mehr Geld, und betrifft unmittelbar noch mehr Bürger. Man stelle sich etwa einen zwanzigjährigen Streit um die Lage einer U-Bahn-Station, die Einstiegshöhe bei der Bim oder die Abgasnormen von Bussen vor. Wieso nicht das? Kann mir das bitte wer erklären?

Der alte Jäger Saab Draken, den man Ende der 1980er beschaffte, war für zehn Jahre Nutzung gedacht. Das Heer musste letztlich fast das Doppelte aus dem alten Eisen rausquetschen. Und selbst das reichte der Politik nicht für eine ordentliche, rechtzeitige Nachfolgeplanung – man benötigte zwischen dem Draken und dem Eurofighter Typhoon für einige Jahre gemietete Schweizer Northrop-F-5-Jets als Zwischenlösung - kann sich da noch wer erinnern?

Schon vergessen? Das waren die F-5 "Tiger II", die uns die Schweizer vermietet hatten.
Schon vergessen? Das waren die F-5 "Tiger II", die uns die Schweizer vermietet hatten.Georg Mader

Es brauchte einen Regierungsumbruch, um überhaupt einen Regierungsbeschluss für eine „kostengünstige Nachbeschaffung" zu bekommen. Und noch einen Regierungsumbruch, um statt der 24 ausgeschriebenen nur 18 zu bestellen - und es war auf einmal nicht mehr der „Kostengünstige", sondern der Beste und Teuerste.

Ein Minister, der Gesetze brach 

Der nächste Minister der nächsten Regierung – als ideologisch gefestigter Pazifist, der angeblich aus Gewissensgründen Zivildienst absolvierte (echt die Idealbesetzung für den Posten des Heeresministers) geht dann her, pfeift aufs Gesetz (nicht auf eines, sogar auf mehrere) und ändert fachlich unbeleckt und eigenmächtig ohne vorgeschriebene Konsultationen mit anderen Ministern, primär dem Finanzminister, den Kaufvertrag.

Von nun an flogen in unserer Alpenrepublik die kastriertesten Kampfflugzeug des Planeten. Und von denen noch zu wenig, um selbst die Kernaufgabe Luftraumüberwachung vollständig abzudecken.

Der nächste Minister der nächsten Regierung – eigentlich ein gewaltiger Schritt in die richtige Richtung, sein Ressort liegt ihm wirklich am Herzen und er hat fachliche Ahnung von der Materie – klagt dann plötzlich den Hersteller der Jets. Und zwar 14 Jahre nach der Unterschrift, zehn Jahre nach dem Vergleich und dem Beginn der Lieferung. Man meint nämlich, eine Summe von (mindestens) 183 Millionen Euro gefunden zu haben, um die man beim Kauf betrogen worden sei, und hätte man das und noch einiges andere damals gewusst, würde man sicher den schwedischen Saab Gripen gewählt haben.

Immerhin eine interessante Behauptung: Denn ohne die eingepreisten 183 Millionen hätte der Typhoon heute nicht nur (unbestritten) mehr Nutzwertpunkte, sondern wäre auch noch billiger gewesen als der Gripen. Und deswegen hätten wir damals also den Gripen genommen, Beschaffungsrichtlinien und Bestbieterermittlungen hin oder her.

Von wegen "nicht lieferfähig"

Und lieferfähig und -willig soll er in Wahrheit damals auch nicht gewesen sein, der böse Hersteller. Na gut, Flugzeug Nummer 1 kam einen Monat zu spät, dafür kam Jet Nr. 6 sogar zu früh, auch die Ersatzteile waren schon geliefert. Von „nicht lieferfähig und nicht willig" also nichts zu sehen. Übrigens: Eine Weigerung, zu liefern, ist laut Vertrag eindeutig ein Kündigungsgrund gewesen, den man also hätte geltend machen können - wenn es denn wirklich so gewesen wäre damals.

Dem Boulevard kann man so etwas leichter verkaufen als einem Richter. Aber das wird dann vermutlich erst der nächste Minister zu spüren bekommen.

Der neueste Streich in Sachen Abfangjäger ist nun also der vom jetzigen Minister verkündete „Systemausstieg" Eurofighter. 2020 soll aber schon was Neues her. Nun, diese Zeit reicht schon kaum für den Bau, davor braucht es noch eine Typenwahl, Verhandlungen, einen Vertrag, selbst ohne eine Ausschreibung zumindest ein Budget dafür, das braucht einen Regierungsbeschluss, dazu ein Gesetz (man braucht ja frisches Geld). Darüber hinaus stehen wir vor einer Wahl im Herbst, und die neuen Abfangjäger werden oder wollen eher nicht Thema Nummer 1 einer neuen Regierung sein, wann immer sie auch angelobt werden möge.

Des Beschaffungsdramas x-ter Akt

Und keiner weiß auch, wie die neue Regierung aussieht und wer der neue Verteidigungsminister wird. Jedermann kennt hingegen die dürftigen Halbwertszeiten von Heeresplänen. Erinnert sich noch jemand an die Zilk-Bundesheerreformkommission? Von Nägeln mit Köpfen - und die gibt’s sehr selten bei Heeresbeschlüssen - sind wir also noch sehr, sehr weit entfernt.

Bleibt die Frage, was denn Neues kommen soll. Überschallfähig solle es jedenfalls sein, heißt es. Ein Geschäft zwischen Regierungen, und die Neuen müssten leistungsfähiger als die Ö-Version des Typhoon sein.

Ja wer hat denn die Eurofighter so kastriert?

Allein Letzteres ist schon eine amüsante Anforderung: Ja wer hat die Eurofighter denn so beschnitten? Billiger soll es auch werden. Nun, das geht schon: Insbesondere, weil ja ein Burgenländer seinerzeit ganz eigenmächtig und begeistert auf die Alt-Version Tranche 1 verglichen hat, womit die bei jedem (!) Fluggerät irgendwann anfallenden Versorgungsschwierigkeiten bei der schnelllebigen Elektronik nun deutlich früher bei uns aufschlugen, als sie das getan hätten, wenn man bei der ursprünglich gekauften, moderneren Tranche 2 geblieben wäre.

Die amerikanische F-16 hat man im Zuge der Ausschreibung 2002 elegant rausgewürfelt. Glaubt wirklich jemand, dass sich die Leute von Lockheed Martin noch einmal begeistert in Wien anstellen, so wie wir uns damals verhalten haben und uns gerade wieder aufführen? (Außerdem wurde die F-16-Fertigung in den USA nach rund 40 Jahren kürzlich weitgehend heruntergefahren, weil das Modell ausläuft und der Bau künftig eventuell nur in Indien fortgesetzt werden könnte, Anm. der Red.)

Ob uns jetzt doch die Schweden ein paar Flieger basteln werden?
Ob uns jetzt doch die Schweden ein paar Flieger basteln werden?scalemates.com

Bleibt die Gripen. Okay, ohne echte Konkurrenzanbieter wird Saab ja ganz sicher erheblichen Druck verspüren, den Österreichern einen besonders guten Preis zu machen. Und eine freihändige Vergabe ist sicher auch viiiel weniger anfällig für dubiose Zahlungsflüsse (wer es nicht gemerkt hat - das war jetzt Sarkasmus, Ironie und so!).

Viel Spaß noch beim Loswerden!

Ach ja: Da steht jetzt ja das ganze alte Zeug herum auf den Fliegerhorsten. Das will man vielleicht verkaufen, es muss doch noch einiges wert sein, oder? Also ich geh’ dann in den Keller lachen, wenn sie das versuchen: Zum einen haben wir ein "End-User-Licence-Agreement" unterschrieben - Deutschland hat die schriftliche Zusage der Republik Österreich, dass die Flieger bei uns bleiben und nicht irgendwohin nach Arabien oder Südamerika verschoben werden.

Zum anderen sind die Flugzeuge samt Zubehör voll mit geistigen Eigentumsrechten, Patentrechten etc. des Herstellers - den aber wir soeben verklagt haben. Und ohne die Unterstützung des Herstellers - immerhin braucht ein potenzieller Abnehmer zum Betrieb auch die Unterstützung genau desselben Herstellers - geht da gar nichts. 
Airbus/Eurofighter aber spricht gerade nicht mit uns, weil man sieht sich ja auf Drängen Wiens vor Gericht. Oder man könnte sich ja eventuell wieder vergleichen...

Was hätten wir gelacht, wenn die legendäre britische Komikertruppe Monty Python das verfilmt hätte. Etwa als „Die Ritter der Eurofighter". Leider ist es kein Film, sondern traurige Realität im kleinen Österreich. Was fehlt, ist wohl ein Psychoanalytiker und/oder Psychiater. Die handelnden Personen, ja verdammt viele der Statisten, Zuseher und Meinungsanmaßer, brauchen nämlich wohl dringend Hilfe. 

Der Autor

Luftfahrtexperte Martin Rosenkranz war als Chefredakteur von "airpower.at" in den vielen Jahren der Eurofighter-Ausschreibung, Beschaffung und den Nachwehen intensiv mit diesen Vorgängen beschäftigt und auch im Untersuchungsauschuss live dabei.

Sein Text wurde redaktionell und optisch bearbeitet von Wolfgang Greber (Die Presse).

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