Gastkommentar

Warum Deutschland in der fossilen Energiefalle steckt

Ist die E-Mobilität wirklich überall emissionsfrei?

Permanent überschlagen sich die Meldungen über Fahrverbote für Verbrennungsmotoren in Städten und eine „heile Welt“ dank der E-Autos. Ist das wirklich so? In der Diskussion über die Neuorientierung der Automobilindustrie stecken zu viele Emotionen, zu wenig orientiert man sich am Markt und an dem volkswirtschaftlich nachgewiesenen Energiemix.

Natürlich ist emotional nachvollziehbar, dass Bürger in Großstädten saubere Luft einatmen wollen und die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schaffen muss, damit gesetzlich geregelte Grenzwerte eingehalten werden. Ob aber die E-Mobilität in einem Land wirklich „sauber“ ist, hängt maßgeblich vom Energiemix des jeweiligen Landes ab.

In drei Beispielen soll erklärt werden, wie die Herstellung der Elektroenergie auf Sinn oder Unsinn der Elektromobilität Einfluss hat.
Beispiel 1: Norwegen hat einen Energiemix mit einem hohen Anteil an Wasserkraft, auch Wind- und Sonnenenergie. Ähnlich ist es mit Österreich und seinen Wasserkraftwerken. Wenn die Elektroenergie im Mix wenig „Verbrennungsenergie“ aufweist, dann kann die Rechnung im Energiemix durch Elektromobilität verbessert werden.
Beispiel 2: Frankreich erzeugt mehr als achtzig Prozent der Elektroenergie in Atomkraftwerken. Fossile Energieträger sind deutlich in der Minderheit. Die Nutzung von Atomstrom reduziert den Schadstoffausstoß, wenn E-Autos überdurchschnittlich eingeführt werden (Quote).
Beispiel 3: Und Deutschland? Über fünfzig Prozent der Energie (vor allem im Grundlastbereich) haben eine fossile Rohstoffbasis. Wird der Energieverbrauch durch Elektrofahrzeuge erhöht, ist die Emission in Ballungszentren geringer, aber die Emission insgesamt steigt!

Fazit: Mit dem Verzicht auf Atomenergie sitzt Deutschland in der fossilen Energiefalle. Die Elektromobilität in Größenordnungen wird zu einem deutlichen Mehrverbrauch an Elektroenergie führen, welche „grundlastfähig“ hergestellt sein muss. Mehr Elektroenergie bedeutet aber mehr Emissionen, die dann eben „nur“ an anderer Stelle sind.

Das Beispiel 1 basiert auf einer CO⁲-freien Grundlast, die ohne nachhaltige Nebenwirkung funktioniert. Im Beispiel 2 ist problematisch, dass die CO⁲-Freiheit mit einer Steigerung des Atommülls erkauft wird.

Ausstoß ist doppelt so hoch

Beim Beispiel 3 wird der Widerspruch deutlich: Je nach Qualität der Rohbraunkohle (also je nach Heizkraft, Wassergehalt und so weiter) sind bei Strom aus Rohbraunkohle etwa 500 Kilogramm zu verbrennen, um den Strom für Elektromobilität als Äquivalent für 50 bis 60 Liter Benzin zu erhalten. Der CO⁲-Ausstoß ist mehr als doppelt so hoch. Insofern ist es für deutsche Verhältnisse durch die „fossile Energiefalle“ geboten, endlich gute Hybridfahrzeuge anzubieten.

Vielleicht sollte bei der Dieseldiskussion in Deutschland nicht nur punktuell die Frage gestellt werden, wie etwa in Stuttgart die Luft verbessert wird! Vielmehr wäre es sinnvoll, neu über Hybrid-Technologie in Deutschland nachzudenken, bis das fossile Zeitalter in der Energieproduktion in Deutschland nicht mehr bedeutsam ist.

Auch sind die modernen Entwicklungen in der Strahlungsforschung (Neutrino-Geisterteilchen) endlich ernst zu nehmen, da daraus eine neue Grundlastversorgung entwickelt werden kann, eine erneuerbare, grundlastfähige, emissionsfreie Energiezukunft! Ein Elektromobil, das sein eigenes CO⁲-freies Kraftwerk mit sich führen wird, scheint in den nächsten Jahren möglich zu werden. Dann ist die Grundlast sauber und die Elektromobilität die Lösung für unseren Planeten.

Der Autor war deutscher Verkehrsminister (1991–93) und ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der Neutrino-Gruppe.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2017)

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