Kroatien hat 1778 Kilometer Küstenlinie an der Adria. Dennoch streitet es mit Slowenien erbittert um ein paar Seemeilen.
Der Streit um die Bucht von Piran erinnert – gelinde gesagt – an den Bassena-Streit unter für nichts und wieder nichts zankenden Wei..., äh Frauenzimmern. Vorausschicken darf ich, dass mir die Bucht von Piran und Istrien nicht unbekannt sind. Das heißt auf Deutsch: Ich weiß, worüber ich schreibe.
Gerade wegen meiner Kenntnisse hege ich im Streit um den kroatisch-slowenischen Grenzverlauf für das dickköpfige Verhalten Kroatiens keine Sympathien. Vor Jahren haben sich die Ministerpräsidenten beider Staaten über ein Schiedsverfahren geeinigt. Nun will Kroatien das – fast salomonische – Ergebnis nicht anerkennen.
Tatsache ist, dass das Den Haager Schiedsgericht im Streit eher zu Gunsten Sloweniens entschieden und Kroatien angekündigt hat, den Schiedsspruch nicht umsetzen zu wollen. Martialisch hat der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković vor Wochen gemeint, sein Land habe die Möglichkeiten, das Staatsgebiet und die Interessen zu verteidigen.
Der slowenische Premier Miro Cmerar hingegen sicherte zu, sein Land werde die Entscheidung umsetzen. In anderen Erdteilen beginnen mit solcher Verbalmunition Kriege. Gut, dass die Streithähne (noch) keine Raketen haben, wiewohl beide Nato-Mitglieder sind.
Sloweniens nutzlose Gesten
Den Haag sagt, Slowenien solle künftig den größten Teil der Adriabucht von Piran kontrollieren und einen Korridor zu internationalen Gewässern erhalten. Die salomonischen Richter haben auch Kroatien einen großen Profit zugebilligt. Die Landgrenzen wurden teilweise begradigt und drei strittige Dörfer, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs slowenische waren, werden endgültig kroatisch.
Wie auch immer. Slowenien hat eine Küste mit 46 Kilometern. Und nicht mehr. Die kroatische Küstenlinie an der Adria ist 1778 Kilometer lang, zählt man die Inseln dazu, beträgt die Länge 6176 Kilometer. Und dann streitet Kroatien um ein paar – fast lächerliche - Seemeilen?
Slowenien hat gegen den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union kein Veto erhoben, obwohl der Grenzstreit nicht beigelegt war. Die Geste war nutzlos. Es hat sich auch nicht gegen die Nato-Mitgliedschaft Kroatiens quergelegt, war es doch seit 2004 – und damit um fünf Jahre früher –Allianzmitglied Auch dieses Zeichen war sozusagen für die Katz.
Wie gesagt, der kroatische Ministerpräsident hat gemeint, sein Land habe die Möglichkeiten, das Staatsgebiet und die Interessen zu verteidigen. Was damit in unserer martialischen Zeit nur gemeint sein kann, weiß jeder. Das Verhalten Kroatiens ist im europäischen Kontext eine Schande. Vielleicht war Slowenien einfach zu nobel.
Letztlich darf noch die Sprache beziehungsweise Semantik bemüht werden. Das Wasserareal, um das seit dem Zerfall Jugoslawiens erbittert gestritten – und Gott sei Dank noch nicht in Partisanenmanier gekämpft – wird, heißt nicht ohne Grund Bucht von Piran. Und was könnte durch jahrhundertelangen Gebrauch genauer sein als eine verbale beziehungsweise überlieferte Begriffsbestimmung? Anderenfalls hieße es ja Golf von Savudrija.
Janko Ferk ist Jurist, Schriftsteller und lehrt an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu. Demnächst erscheint im Züricher Niggli Verlag sein Buch „Craft-Based Design. Von Handwerkern und Gestaltern“.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2017)