Von der Griechenland-Krise zur Euro-Skepsis?

Ein griechisches Finanzdesaster hätte die wirtschaftlichen Erwartungen in Europa destabilisiert. Um weiteren Krisen vorzubeugen, sollten die Finanzmärkte stärker reguliert werden.

Die internationalen Finanzmärkte zweifel(te)n an der Rückzahlungsfähigkeit Griechenlands, unter anderem, weil die öffentliche Verschuldung mehr als 115Prozent des Bruttoinlandsproduktes beträgt. Nebenbei sei erwähnt, dass die Situation noch durch die geringe Glaubwürdigkeit griechischer Institutionen verschärft wurde: Neben anderen Fällen war der gravierendste, dass die Höhe der griechischen Budgetdefizite völlig falsch gemeldet worden war. Diese Falschmeldung ermöglichte erst die Übernahme des Euro. Ein binnen weniger Tage deutlich erweitertes Hilfspaket wurde vor knapp zwei Wochen von der EU und dem Internationalen Währungsfonds geschnürt.

Das Ausbleiben des oben angesprochenen Hilfspakets hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit Griechenlands Zahlungsunfähigkeit bedeutet. Dies hätte auch Forderungen österreichischer Finanzinstitute von etwa fünf Milliarden Euro notleidend gemacht. Dadurch wären direkt und indirekt über andere stark involvierte Volkswirtschaften negative realwirtschaftliche Konsequenzen auch in Österreich aufgetreten.

Reduzierte Wettbewerbsfähigkeit

Vielfach wurden neben Griechenland weitere südeuropäische Länder sowie Großbritannien und Irland als „Problemstaaten“ genannt. Meines Erachtens nach sind diese beiden Ländergruppe klar zu unterscheiden: Großbritannien und Irland wiesen vor der Finanzmarktkrise relativ niedrige Verschuldungsquoten auf. In den beiden Ländern hat zwar die Reaktion auf die Krise zu sehr hohen Budgetdefiziten und zu einem Hochschnellen der staatlichen Verschuldung geführt, die langfristigen Erfolge der Wirtschaftspolitik dieser Länder lassen jedoch eine erfolgreiche Stabilisierung klar erwarten. Die angesprochenen „Südeuropäer“ (Portugal, Spanien und Italien) müssen massive Anstrengungen erbringen, um die schon längerfristig beobachtbaren Struktur- sowie die aktuellen Budgetprobleme bewältigen zu können. Der wirtschaftliche Einbruch Spaniens wurde als Folge des Platzens einer markanten Immobilienblase noch akzentuiert, dagegen wirkte der dortige Bankensektor – weil ziemlich streng reguliert – nicht destabilisierend.

Ein wichtiges – quasi – strukturelles Problem südeuropäischer Volkswirtschaften stellt deren sukzessive reduzierte Wettbewerbsfähigkeit dar: Im Vergleich zu Deutschland sind von 1998 bis 2007 die Preise in Griechenland, Portugal und Italien etwa um 20Prozent, in Spanien gar um gut 30Prozent gestiegen.

Während für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung eine weitgehende Liberalisierung der Gütermärkte nötig ist, scheint das diesbezügliche Optimum auf den Finanzmärkten längst überschritten zu sein. Wichtige Spieler auf diesen Märkten wie die USA und Großbritannien haben in den letzten Jahrzehnten die Deregulierung dieser Märkte weit vorangetrieben. Viele andere Industrieländer sind ihnen zumindest teilweise gefolgt, um – wie sie sonst befürchteten – potenziell zufließendes Kapital nicht „abzuschrecken“ etc.

Dass aber hier eine restriktivere Strategie erfolgreich sein konnte, zeigt überzeugend das Beispiel Kanadas. Obwohl mit den USA wirtschaftlich eng verflochten, hat in Kanada eine stärkere Regulierung der Kapitalmärkte und Banken die negativen Wirkungen der von den USA ausgehenden Finanzmarktkrise deutlich reduziert.

Ermutigende Signale

Bis vor Kurzem war zu befürchten, dass besonders in den USA und in geringerem Maße auch in Europa die nötige weitreichende Reregulierung durch die Lobbies von Banken und Finanzinstituten verhindert wird. Jüngste „Erfolge“ etwa hinsichtlich verschärfter Anforderungen an Hedgefonds oder mit dem Verbot von Leerverkäufen sind ermutigende Signale.

Zuletzt soll die weit verbreitete Euro-Skepsis angesprochen werden. Während der Schilling – in einer „Quasi-Währungsunion“ mit Deutschland – von 1981 bis 1998 fest an die DM gebunden war, gab es keine Mitsprachemöglichkeit bei den Entscheidungen der Deutschen Bundesbank.

Seit der Etablierung der EWU ist dagegen unser Gewicht im Entscheidungsgremium der Europäischen Zentralbank (EZB) dem Deutschlands gleichgestellt. Ein weiterer positiver Effekt der EWU für Österreich ist bisher völlig unterbelichtet: die stabilisierende Wirkung, die die EWU im Falle unseres massiven Ost-Engagements hatte. Ohne Währungsunion hätte nach den stark kontraktiven Effekten der Krise in Osteuropa massive Spekulation gegen den Schilling eingesetzt: Die potenziellen Konsequenzen möchte ich nicht ausmalen.

Anti-Inflationspolitik

Im Finish soll auf die in vielen Medien „bejammerte“ Euroschwäche sowie auf die zuletzt heraufbeschworene Inflationsgefahr eingehen: Während man vor einigen Jahren noch bei einem Eurokurs gegen den Dollar von 1,20 in Wehklagen über den Schaden für die Exportwirtschaft ausbrach, startete jetzt Gejammer wegen vermeintlicher Euroschwäche, als der Kurs unter 1,40 fiel. Diese fehlende Konsistenz der Argumente – zurückhaltend formuliert – überrascht.

Vielfach wird als Folge aktueller geldmengenerhöhender Stabilisierungsmaßnahmen der EZB deutliche Inflationsgefahr für die Zukunft ausgemacht. Diese Möglichkeit ist wegen der bisher äußerst glaubwürdigen Anti-Inflationspolitik der Europäischen Zentralbank praktisch auszuschließen, weil bei verbesserter Konjunktur und damit eventuell verbundener Inflationsgefahr die EZB sofort restriktiv eingreifen würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2010)

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