Straches Serben, die SPÖ und der Islam

Wie österreichische Parteien dazu beitragen, internationale Konflikte zu importieren.

Strache versucht es derzeit mit den Serben. Mit der von Konstantin Dobrilovic geführten neuen FPÖ-Vorfeldorganisation „Christlich-Freiheitliche Plattform für ein freies Europa souveräner Völker“ (CFP) sollen nationalistische Serben in ihrem Kampf gegen den Islam unterstützt werden.

Außerdem hat die FPÖ eine weitere Zielgruppe ausgemacht: die Kurden. Schließlich gibt es auch hier einen gemeinsamen Feind. Schon zu Newroz 2009 organisierte ein Funktionär des Dachverbands der PKK-nahen Kurden aus der Türkei (FEYKOM) eine Solidaritätsreise für den FPÖ-Europaparlaments-Abgeordneten Andreas Mölzer, samt Entourage. Ende Mai 2010, zu diesem Zeitpunkt längst Gemeinderatskandidat der SPÖ, organisierte besagter Funktionär erneut die Kontakte für eine FPÖ-Delegation nach Türkischkurdistan. Und Ewald Stadler vom BZÖ versucht es in der armenischen Szene und begab sich dafür auch schon auf Gedenkfeiern der armenischen Gemeinde.

Mobilisierung gegen Israel

Wahltaktisch klüger, weil mehr Wählerstimmen versprechend, dockt die ÖVP schon seit Längerem bei türkischen Nationalisten an, die sich die Leugnung des Genozids an den Armeniern auf ihre Fahnen heften. Zu den Nationalratswahlen 2006 affichierte der ÖVP-Bezirksrat Mustafa Iscel Plakate in türkischer Sprache, mit denen er versprach, dass sich die ÖVP gegen eine Anerkennung des Genozids an den Armeniern einsetzen würde. Iscel ist immer noch Bezirksrat und wurde bei den letzten Wirtschaftskammer-Wahlen als prominenter Kandidat für die türkischen Unternehmer plakatiert. Ansonsten versucht die ÖVP in der türkischen Szene, vor allem bei den Anhängern Fethullah Gülen türkische Wähler zu mobilisieren. Das darin sehr stark vertretene islamische Kapital passte besser zur ÖVP.

In der SPÖ hält Gemeinderat Omar al Rawi, der in Personalunion als Integrationsbeauftragter der offiziellen Islamischen Glaubensgemeinschaft fungiert, die wichtigste Position als Kontaktmann zum politischen Islam aufrecht. Seine freundliche Fassade bröckelt immer dann, wenn es um sein wahres Herzensanliegen, die Mobilisierung gegen Israel, geht. Schon in der Vergangenheit trat er immer wieder als einpeitschender Redner auf Demonstrationen arabischer und türkischer Islamisten auf, die sich der Solidarität mit dem Hamas-regierten Gaza verschrieben hatten. Zuletzt kam ich vergangenen Freitag zufällig gerade aus der Nationalbibliothek, als mir schon von Weitem die wutentbrannte Stimme al Rawis entgegenschlug. Vor einer aufgepeitschten Menge schimpfte er über das „Freiluftgefängnis“ Gaza, in dem „eineinhalb Millionen Menschen eingesperrt sind“, huldigte ein bisschen dem Märtyrerkult, indem er donnerte, dass die palästinensischen Opfer „nicht umsonst gestorben“ wären und deren Kampf weitergeführt werden sollte. Unterbrochen wurde er nur durch antiisraelische Parolen einer aufgebrachten Menge, die Israel als „Terroristen“ und „Kindermörder“ bezeichneten. Al Rawi war sich seiner Sache sicher, konnte er sich doch explizit auf den einstimmigen Beschluss des Wiener Gemeinderates beziehen, der Israel einseitig verurteilte.

Aber auch die Grünen schielen auf dieses Wählerpotenzial. Alev Korun besuchte in ihrer Zeit als Gemeinderätin dieselben Moscheevereine auf der Suche nach grünen Stimmen, wie Omar al Rawi. Im Nationalrat versucht sie es mit der Zusammenarbeit mit dem Nachwuchs der Glaubensgemeinschaft und bewirbt gemeinsam mit der Grünen Bildungswerkstatt Wien Farid Hafez' Buch über „Islamophobie“, in dem sämtliche säkularen Kritiker des politischen Islam, inklusive ihres eigenen Parteikollegen Efgani Dönmez, mit der FPÖ in einen Topf geworfen werden und die Verteidigung vor Pauschalvorwürfen zur Pauschalverteidigung vor Kritik benutzt wird.

Diese Form der politischen Mobilisierung ethnischer und religiöser Communitysnimmt zumindest billigend in Kauf, dass ethnisierte und religiös aufgeladene Konflikte nach Wien importiert werden und hier zur Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas beitragen. Für einige vermeintlich billige Wählerstimmen werden nationalistische Ressentiments benutzt und verfestigt.

Es ist beschämend, dass erst 2008 die erste Abgeordnete mit Migrationshintergrund aus der Türkei in den Nationalrat eingezogen ist. Beschämend ist aber auch, dass damit immer noch kein Nachkomme der in den 1960er-Jahren angeworbenen „Gastarbeiter“ im Nationalrat sitzt, sondern nur eine Abgeordnete aus der türkisch-kemalistischen Oberschicht.

Wer Migranten ernst nimmt, darf sie allerdings nicht nur zur Mobilisierung von Wählerstimmen aus den Communitys missbrauchen, sondern muss ihre politischen Einstellungen ernst nehmen. Dazu gehört es auch, nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Mobilisierungen politisch entgegenzutreten, anstatt diese klammheimlich zu fördern.

Ein Spiel mit dem Feuer

Während sich die österreichische Außenpolitik schon seit Jahren fast vollständig aus der internationalen Politik verabschiedet hat, tritt auf Gemeinde- und Länderebene eine ganze Reihe von Hobbyaußenpolitikern auf, die Konflikte der internationalen Politik offenbar mit einer billigen Spielwiese für die eigene Wählermobilisierung verwechseln.

Die Folge dessen ist, dass es hierzulande zu einer Ethnisierung von Politik kommt. Gerade in Zeiten zunehmender Verknappung von Ressourcen und einer multiplen Krise von Ökonomie, Politik und Ökologie ist dies ein Spiel mit dem Feuer!

>> Leserbrief von von Al-Rawi: Arroganz des "Fachmanns"

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10. Juni 2010)

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