Sanktionen ohne Geschäftsschädigung

Wer hält dem iranischen Regime weiter die Stange?

Inzwischen weiß man, dass bis zum Beschluss der unzureichenden UN-Sanktionen und der deutlich weitergehenden neuen US- und EU-Sanktionen Mitte diesen Jahres fast niemand in der Wirtschaft ernsthaft daran dachte, den Handel mit dem iranischen Regime einzuschränken. Ganz im Gegenteil. Deutschland als nach wie vor wichtigster westlicher Handelspartner des Iran hat sein Business mit dem Regime aus Mullahs und Revolutionswächtern im ersten Halbjahr 2010 deutlich ausgebaut. Die Exporte stiegen um 14Prozent. Die Importe sind gleich um sagenhafte 88Prozent in die Höhe geschnellt. Und die deutsche Industrie liefert nicht irgendetwas in den Iran, sondern vor allem hoch qualitative Maschinen, chemische Produkte und Metalle, auf die die iranische Wirtschaft dringend angewiesen ist.

Ob sich daran durch die neuen EU-Sanktionen, deren konkrete nationalstaatliche Umsetzung immer noch unklar ist, maßgeblich etwas ändern wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Klar ist, dass viele in der EU weiterhin nicht gewillt sind, eine schärfere ökonomische Gangart auch durch eine konsequente politische Isolierung des Regimes zu komplettieren.

Vom iranischen Regime wird eine für den Herbst geplante Reise von EU-Parlamentariern jetzt schon bejubelt. Die grüne Leiterin der Iran-Delegationen des EU-Parlaments, Barbara Lochbihler, zeigt sich von den Entwicklungen der letzten zwei Jahre völlig unbeeindruckt und wiederholt unbeirrt ihr Verhandlungsmantra: „Wir suchen den Dialog.“ Sollte es aber, wie von den Befürwortern eines Dialogs zur Deckung ihrer Regimekontakte stets behauptet wird, tatsächlich um Gespräche mit jenen Menschen gehen, die im Iran unter Lebensgefahr für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Säkularismus kämpfen, dürften Politiker in der EU nicht weiterhin Schritte setzen, die vom iranischen Regime gar nicht anders denn als Unterstützung verstanden werden können. Die Alternative zu Treffen mit Regimevertretern in Teheran liegt auf der Hand: Niemand hindert das EU-Parlament daran, Vertreter der säkularen Opposition zu offiziellen Gesprächen nach Brüssel einzuladen.

Einen Hinweis darauf, welche Staaten eventuell gewillt sind, den Kuschelkurs gegenüber dem iranischen Regime auch politisch zu beenden, wird man Ende September bekommen, wenn Ahmadinejad wieder vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sprechen möchte. Werden die österreichischen Vertreter so wie letztes Jahr als willige Zuhörer des Präsidenten im Plenum sitzen bleiben? Werden die EU-Staaten diesmal geschlossen den Auftritt des iranischen Präsidenten boykottieren? In wenigen europäischen Ländern wird die Kooperation mit dem iranischen Regime derzeit dermaßen unverfroren betrieben wie in der Schweiz. Seit gut einem halben Jahr unterstützt die Schweiz ohne jegliche Forderung nach Gegenleistungen den Beitritt des Iran zur Welthandelsorganisation, was die Schweizer Zeitung „Sonntag“ dazu veranlasst hat, das Land als „Irans treuesten Verbündeten in der westlichen Welt“ zu bezeichnen.

So wie in anderen Ländern liefern die guten politischen Beziehungen die Grundlage für hervorragende Wirtschaftskontakte. Zum bisher wichtigsten Geschäftsabschluss kam es 2008. Im Zusammenhang mit der Trans Adria Pipeline brachte der Schweizer Energieriese EGL ein Geschäft mit der staatlichen National Iranian Gas Export Company im Wert von 20Milliarden Schweizer Franken unter Dach und Fach. Jährlich sollen 5,5Milliarden Kubikmeter Erdgas aus dem Iran geliefert werden.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Sanktionsbeschlüsse ist der EGL-Deal erneut ins Visier der internationalen Öffentlichkeit geraten, und das völlig zu Recht. Noch fließt kein iranisches Gas, noch fehlen Transitrechte, noch wäre Zeit für politische Interventionen. Wollte sich die Schweizer Regierung nicht auf Dauer zum Komplizen des Antisemitenregimes in Teheran machen, müsste sie sich unverzüglich für einen Ausstieg aus dem Vertrag stark machen.

Leichter Positionsschwenk Österreichs

Aber ganz ähnlich wie in Wien haben sich auch in Bern in den letzten Jahren Politiker auf die hohe Kunst verlegt, die Entwicklungen im Iran stets so zu kommentieren, dass man sich noch gerade als Teil jenes Westens begreifen kann, der zumindest in seinem Selbstbild weiterhin für individuelle Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einsteht, aber gleichzeitig dem Regime in Teheran bloß nicht durch konkrete Maßnahmen wie etwa den Abbruch der diplomatischen Beziehungen oder öffentlichen Kontakten mit der iranischen Opposition auf die Zehen steigt.

Einen gewissen Schwenk hat es in der Positionierung Österreichs gegeben. Nachdem die Verhandlungen über den Milliardendeal der OMV mit dem iranischen Regime auf Eis gelegt wurden und auch das von der OMV maßgeblich betriebene Pipelineprojekt Nabucco verkündet hat, auf absehbare Zeit auf iranische Gaslieferungen gänzlich verzichten zu wollen, sieht sich der österreichische Außenminister Spindelegger veranlasst, die europäischen Konkurrenten der OMV zu ähnlichen Schritten anzuhalten. Bisher hält das allerdings auch österreichische Firmen wie die Voestalpine oder Mayr-Melnhof nicht davon ab, stur an ihrem Iran-Business festzuhalten. Und Flugzeuge von Iran Air haben derzeit zwar Probleme, an deutschen Flughäfen aufgetankt zu werden; der Wiener Flughafen springt aber regelmäßig als Kerosinversorger in die Bresche.

All das zeigt, dass die bisherigen Sanktionsbeschlüsse zwar ein gewisses Umdenken bei zentralen europäischen Akteuren signalisieren, aber bei Weitem nicht ausreichen, um dem iranischen Regime die Fortsetzung seiner Projekte, sei es das Nuklearwaffenprogramm, sei es die innerstaatliche Mobilmachung gegen die Opposition, zu verunmöglichen.

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Uni Wien und Mitherausgeber von „Iran im Weltsystem“. (Studienverlag 2010).


meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2010)

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