Mantra des Dialogs

Replik auf den Gastkommentar „Iran: Isolation ist kein Allheilmittel“ von Barbara Lochbihler vom 16. 9.

Seit nunmehr 30 Jahren wird von europäischen Ländern der Dialog mit dem iranischen Regime gepflegt. Als Ergebnis dieser Politik, an der auch Außenminister Spindelegger festhalten möchte, wird einem Regime Legitimität zuerkannt, das schlicht im Orkus der Weltgeschichte verschwinden muss, so in der Region des Nahen und Mittleren Ostens doch noch einmal Bedingungen für eine bessere Entwicklung geschaffen werden sollen.

Sehr zur Freude des iranischen Regimes wurde ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen weder als Reaktion auf die Teheraner Holocaustleugnerkonferenz oder die wiederholten Vernichtungsdrohungen gegen Israel noch auf die Forcierung des Atomwaffen- und Raketenprogramms oder die versuchte Niederschlagung der Freiheitsbewegung von der Mehrheit der europäischen Länder überhaupt nur in Erwägung gezogen. Das verdeutlicht, wie sehr der Wille zum Appeasement bis heute existiert. Ausgerechnet linke Politiker tun sich bei der Verteidigung dieser Politik hervor. Beispielsweise Ex-EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, der sich gerade zu einer Visite in Teheran aufgehalten hat, oder die deutsche Grüne und Leiterin der Iran-Delegation des EU-Parlaments, Barbara Lochbihler.

Wie die Unschuld vom Lande fragt Lochbihler hinsichtlich des iranischen Regimes: „Was spricht dagegen, immer wieder Gespräche etwa mit Parlamentariern anzustreben?“ Zur Erinnerung: Die Abgeordneten des iranischen Pseudoparlaments, deren Kandidatur ausnahmslos vom Wächterrat abgesegnet werden muss, haben Ahmadinejads neuen Verteidigungsminister Ahmad Vahidi mit stehenden Ovationen und „Tod Israel“-Rufen begrüßt. Der Mann wird bis heute von Interpol mit internationalem Haftbefehl wegen seiner Beteiligung an dem Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires Anfang der 90er Jahre gesucht, bei dem 85 Menschen ermordet wurden. Sicher auch ein interessanter Gesprächspartner für EU-Parlamentarier.

Zur Legitimation ihrer Dialogpolitik, gegen die es bis hinauf zur Konferenz der Präsidenten im Europäischen Parlament massive Widerstände gibt, bezieht sich Lochbihler ausgerechnet auf die exil-iranische Frauenrechtlerin Roya Kashefi. Geflissentlich verschweigt sie, dass Kashefi sich klar gegen Lochbihlers Pläne ausgesprochen hatte, Anfang dieses Jahres in den Iran zu fahren, da derartige Visiten vom Regime stets für Propagandazwecke genutzt werden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die säkulare Opposition im Iran und im Exil zu unterstützen; Visiten beim Obersten Geistlichen Führer oder bei Außenminister Mottaki (dem Eröffnungsredner der Holocaustleugnerkonferenz), die in den Reiseplanungen der EU-Delegation vorgesehen waren, gehören ganz sicher nicht dazu.

Loichbihler meint, Sanktionen seien kein „Allheilmittel“. Das stimmt, nur hat das auch niemand behauptet. Angesichts dessen, dass die neuen EU-Sanktionen noch ihrer jeweiligen nationalstaatlichen Implementierung bedürfen und beispielsweise die massiven Lieferungen deutscher Maschinenbauer in den Iran kaum betreffen werden, kann von ernsthaften Sanktionen noch gar keine Rede sein. Sollte es sie aber geben, könnten sie ein sinnvoller Versuch sein, dem Regime die Fortsetzung seiner Projekte zu verunmöglichen. Selbst wenn das nicht erreicht werden kann, führen Sanktionen in jedem Fall zu einer Schwächung des Regimes – und das verbessert auch die Chancen für andere Optionen zur Verhinderung der iranischen Bombe. Lochbihler aber will nicht die nukleare Bewaffnung des Antisemitenregimes in Teheran, sondern die dazu eventuell notwendigen Maßnahmen „mit allen Mitteln verhindern“. Das zeugt von einer Ignoranz gegenüber der Geschichte des 20. Jahrhunderts, die einem besonders übel aufstößt, wenn sie von einer deutschen Politikerin an den Tag gelegt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2010)

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