Viel Freiraum für Islamisten

Europa darf nicht länger tatenlos zusehen, wie islamistischer Terror und Gewalt zum europäischen Problem werden.

Gastkommentar

In den vergangenen Jahren sind Gewalt und Terror radikaler Islamisten in den islamischen, insbesondere den arabischen Ländern stark gewachsen und haben neue Dimensionen angenommen. Der Anschlag auf eine christlich-koptische Kirche in Ägypten ist ein neuer trauriger Höhepunkt.

Der radikale islamistische Terror betrifft alle – die ganze Welt. Wie schnell er sich auf neue Bereiche ausweitet, zeigt gerade die Geschichte von al-Qaida: Anfangs waren noch die ehemalige Sowjetunion und arabischen Regime der Hauptfeind, später richtete sich der Hass gegen die einzig verbliebene Weltmacht, die USA. Mit Madrid und London geriet dann auch Europa in ihr Visier.

Nachdem der Terror jahrelang im Irak gewütet hatte, setzte zuletzt eine neue Entwicklung ein: Erstmals wendet sich al-Qaida gegen die Kopten. Angefangen hat dieser Trend mit dem Anschlag auf Christen in einer Kirche in Bagdad. Drei der Attentäter waren Ägypter. Sie haben anscheinend ihre Feindseligkeit gegenüber Kopten zur al-Qaida „exportiert“.

Die Probleme der arabischen Welt hängen mit Armut, Analphabetentum und Korruption zusammen. Europa hat zum Glück andere Probleme. Dennoch sind viele Islamisten hier aktiv. Das Internet beweist es. Radikale Islamisten benützen es für ihre Propaganda. Ihre Internetseiten haben kein Impressum, aber eine europäische Domain. Auch der Aufbau islamistischer Strukturen und Geldsammlungen in europäischen Moscheen sind ein Beleg für islamistische Umtriebe. Der Großteil der Gelder, die den Terror im Irak finanzieren, kommt von den Wahhabiten in Saudiarabien – und aus Europa.

Europa wird nicht geschont

Europa bietet den Islamisten ein Terrain, denn hier stoßen sie auf viel weniger Widerstand. In ihren Heimatländern werden sie wegen ihrer radikalen Ziele abgelehnt und bekämpft, aber die europäischen Gesetze lassen ihnen zu viel Freiraum. Die Justiz verurteilt ihre Hetze nicht, sondern betrachtet sie als Teil der Meinungsfreiheit oder der inneren religiösen Angelegenheiten. Mancherorts bekommen Islamisten sogar Unterstützung im Rahmen von Integrationsprojekten und der Kulturförderung.

Geschont wird Europa von den radikalen Islamisten deshalb nicht. Einige Internetseiten wettern nicht nur gegen Christen in islamischen Ländern, sondern auch in Europa. Warum lässt Europa diesen Extremisten so viel Spielraum? Viele Muslime haben mit diesen Aktivisten nichts am Hut und leiden unter ihnen als Erste.

Wenig hilfreich ist auch das Verhalten einiger islamischer Organisationen. Anstatt nur den islamistischen Terror in Ägypten oder im Irak öffentlich zu verurteilen, müssten sie auch gegen die Hetzer in Europa vorgehen. Ansonsten sind ihre Worte nur Heuchelei.

Europa muss endlich aufwachen und radikale Islamisten als Vorstufe zur Gewalt und Terror ernsthaft bekämpfen. Die Muslime sind schon jetzt Hauptleidtragende dieser Entwicklung. Sie spüren bereits den Druck der radikalen Islamisten überall. Wenn aber Gewalt und Terror erst einmal eskalieren, wird es zu spät sein. Dann werden sie den Hass von beiden Seiten zu spüren bekommen – auch von der Mehrheitsbevölkerung. Deshalb muss man die Mehrheit der liberalen Muslime stärken. Denn es gibt keine andere Alternative für eine friedliche Zukunft in Europa.

Amer Albayati (*1942 in Bagdad) ist Journalist und Islamexperte; er ist Mitbegründer der „Initiative liberaler Muslime Österreich“.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.