Zweisprachig ist besser. Für alle Kärntner

Der andauernde Ortstafelkonflikt bietet die Chance für einen Aufbruch, für ein neues und intensiveres Miteinander in Kärnten. Er ermöglicht auch dringend notwendige Schritte hin zu mehr Weltoffenheit und „Europareife“. Nützen wir die Chance.

Die meisten Kommentatoren sorgen sich um die baldige Beilegung des Ortstafelkonflikts in Kärnten, als wäre nicht das Fehlen der Tafeln, sondern der Konflikt ein peinliches Relikt einer vergangenen Zeit, das man möglichst schnell loswerden muss. Ein schwarzer Fleck, der abgewaschen gehört.

Ich hingegen behaupte: Der Ortstafelkonflikt ist eine Chance. Das heißt, die Chance liegt im Konflikt. Ein Konflikt ist nicht per se negativ. Dass es einen Konflikt gibt, zeigt ein Problem an. Ein Konflikt ist also auch ein Seismograf, eine Sehhilfe, ein Denkanstoß.

Der Konflikt um die Ortstafeln zeigt konkret an, dass wir noch keine gerechte Lösung gefunden haben. Wie denn auch? Was ist denn der Sinn der Ortstafeln? Anzuzeigen, dass in einem bestimmten Gebiet zwei Volksgruppen leben, beide mit gleichen Rechten, beide mit gleicher Würde, beide als gleichwertiger Teil der österreichischen Nation, ganz unabhängig von ihrer Anzahl.

Unverständliches Feilschen

Wer mit dieser Formel übereinstimmt, wird das Feilschen um eine Tafel mehr da oder eine Tafel weniger dort völlig unverständlich finden. Genauso wenig wird so jemand die Vergabe von Rechten an eine Zählung der Minderheit binden wollen. Die vernünftige, sachlogische und dem Geist des Staatsvertrags von 1955 entsprechende Lösung ist die, dass überall, wo Kärntner SlowenInnen leben, auch zweisprachige Ortstafeln stehen. Dies lässt sich doch sehr leicht am bestehenden Schul- und Kindergartenwesen, aber auch an der Existenz von Kulturvereinen usw. ablesen. Eine politische Regelung, die gerecht und somit langfristig tragfähig ist, sollte diesem Ziel möglichst nahe kommen.

Offensichtlich entspricht der jetzige „Kompromiss“ diesem Ziel nicht. Daher ist es verständlich, dass sich VertreterInnen der Kärntner SlowenInnen dagegen wehren und sagen, dass sie weiter verhandeln wollen.

Nur Keim für einen neuen Konflikt

Egal, wie geschickt dies nun vorgebracht wird oder nicht, mit welchem Recht werden diese VertreterInnen nun angegriffen? Wäre es denn besser, sie würden „um des Friedens willen“ einer Regelung zustimmen, die sie mit guten Gründen ablehnen? Wäre das eine friedliche Lösung? Nein, es würde nur der Keim für einen neuen Konflikt gelegt. Der jetzige Konflikt ist also notwendig.

Auffällig ist, mit welcher Geschwindigkeit manche Beteiligte diesen Konflikt nun lösen wollen. Gerade diejenigen, die eine gerechte Lösung bisher verhindert haben, haben es nun auf einmal furchtbar eilig; so eilig, dass sie sich auf gar keinen Konsens mit allen Organisationen der Kärntner SlowenInnen einlassen wollen.

Doch Geschwindigkeit als Druckmittel verhindert gewaltfreie, gerechte, nachhaltige Konfliktlösungen. Sie erlaubt nämlich nicht die Entfaltung von Kreativität und verengt die Optionen, sodass das Freund-Feind-Schema sich fast zwangsläufig als einzige Wahrnehmung des Konflikts aufdrängt.

Außerdem gibt es natürlich auch den Faktor des richtigen oder günstigen Moments, in dem man handeln muss, weil sich sonst das „Zeitfenster“ wieder schließt. Vieles deutet darauf hin, dass jetzt ein günstiger Zeitpunkt ist. Aber nicht für eine Lösung um jeden Preis.

Denn wichtiger noch als die konkrete Anzahl der Tafeln oder die Auswahl der Orte sind das Klima und der Geist, in dem nun ein Abkommen geschlossen wird. Es ist nicht egal, ob die Ortstafelregelung als Diktat über einen Teil der SlowenInnen zustande kommt oder als Ergebnis eines fairen und demokratischen Aushandlungsprozesses. Denn es handelt sich um keine symmetrische Konfliktsituation. Was riskiert die deutschsprachige Mehrheit schon, wenn ein paar Tafeln mehr oder weniger aufgestellt werden? „Beeinträchtigt“ das ihr Leben? Wohl kaum. Für die slowenische Volksgruppe hingegen ist die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln in ihrem gesamten Siedlungsgebiet (über die bisherige rudimentäre Regelung hinaus) ein Zeichen von Anerkennung, eine Geste der Versöhnung und auch eine Art Wiedergutmachung.

Ein Schritt zu mehr Weltoffenheit

Wenn dieser Prozess gegen die slowenische Volksgruppe (oder Teile von ihr) erfolgt, dann ist das keine Geste der Anerkennung mehr, sondern ein Signal, dass man ein lästiges Problem vom Halse haben will.

Doch ein Übereinkommen über die Ortstafeln bietet auch die Chance für einen neuen Aufbruch, für ein neues und intensiveres Miteinander, ein dringend notwendiger Schritt zu mehr Weltoffenheit und „Europareife“ in diesem Land, ein Signal für einen besseren Neuanfang. Die Tatsache, dass immer mehr Menschen, die nicht oder nicht mehr gut Slowenisch sprechen, nun ihre Kinder zum zweisprachigen Unterricht anmelden, ist ein Zeichen, dass viele Kärntnerinnen und Kärntner diesen Aufbruch wünschen, ja, dass sie selbst bereits aufgebrochen sind!

In diesem Sinne sollte Platz für kreative Lösungen sein. Man könnte doch die BürgermeisterInnen der Gemeinden, die, obwohl zweisprachig, keine zweisprachigen Ortstafeln wünschen, öffentlich fragen, was sie bei einer zweisprachigen Lösung eigentlich riskierten. Man könnte eine Liste von zweisprachigen Orten veröffentlichen, für die keine zweisprachigen Ortstafeln vorgesehen sind.

Man könnte von der Landesregierung, über die Tafelregelung hinaus, eine Kampagne „Zweisprachig ist besser. Für alle“ einfordern, damit die Aufstellung der Tafeln in einem positiven Klima erfolgt. Man könnte die Aufstellung der Tafeln mit Festen der Zweisprachigkeit begleiten, um eine Sogwirkung zu erzeugen.

Es sollte in Südkärnten zum guten Ton gehören, sich mit der Zweisprachigkeit zu schmücken. Und natürlich muss das Land, also die Landespolitik, selbst zur Zweisprachigkeit stehen. Zumindest symbolische Akte in der Landesregierung wären dazu absolut erforderlich.

Man könnte, man könnte...

Bisher schieben die Landespolitiker ja den Schwarzen Peter der Verweigerer den kleinen BürgermeisterInnen zu, während sie selbst keinen Finger rühren und keineswegs mit gutem Beispiel vorangehen. Man könnte (bezahlte) Kurse „Zweisprachigkeit für PolitikerInnen“ einführen und aus den Erlösen Kulturinitiativen fördern.

Man könnte, man könnte... Aber zunächst einmal muss man können wollen. An diesem Willen hapert es offensichtlich noch bei denen, die jetzt auf eine schnelle Lösung – auch ohne Konsens der Betroffenen – drängen. Solange das so ist, ist auch der „Ortstafelkonflikt“ als Konflikt nötig. Als dynamischer Faktor in einer unbefriedigenden Situation.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor

Univ.-Prof. Werner Wintersteiner (*1951) istFriedenspädagoge und Deutschdidaktiker. Er ist Gründer und Leiter des „Zentrums für Friedensforschung und Friedenspädagogik“ an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Arbeitsschwerpunkte: Literatur, Politik und Frieden. Zahlreiche Publikationen. [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2011)

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