Elternpflichten sind keine bloßen Wünsche des Gesetzgebers

Frauenhand und Babyfuss
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Der Oberste Gerichtshof ermöglicht es getrennten Vätern und Müttern, ihre Besuchsrechte besser durchzusetzen.

Für heftige Diskussionen sorgt ein aktuelles Urteil des Obersten Gerichtshofs. Es wurde in manchen Medien mit dem Ergebnis präsentiert, dass ein Vater von der Mutter des gemeinsamen Kindes Schmerzengeld erhalten würde, weil die Mutter dem Vater den Kontakt zum Kind verwehrt hätte.

Zunächst ist klarzustellen: Der OGH hat dem Vater bisher noch keinen Schadenersatz zuerkannt, sondern nur ausgesprochen, dass solche Ansprüche wie Schmerzengeld und Ersatz für Kosten des Besuchsrechtsverfahrens rechtlich denkbar seien. Die abweisenden Urteile der Unterinstanzen wurden aufgehoben und es muss nunmehr geklärt werden, ob dem Kläger überhaupt Ansprüche zustehen.

Richter mitschuldig am Problem

Das Urteil ist zu begrüßen: Es macht Eltern klar, dass ihre Pflichten durchsetzbar und sanktioniert und nicht nur Wünsche des Gesetzgebers sind. Viele in einer Trennungssituation, die die Bedürfnisse der Kinder aus den Augen verlieren, verstehen wohl nur die harte Hand. Im Übrigen ist das Urteil völlig geschlechtsneutral, denn es trifft genauso auf umgekehrte Rollen (Mutter besuchsberechtigt, Vater verhindernd) zu. Es ermöglicht betroffenen Eltern, sich besser gegen rechtswidrige Besuchsrechtsverweigerung zur Wehr zu setzen.

Die bisher vorgesehenen Sanktionen haben sich jahrzehntelang als zahnlos erwiesen. Nicht unschuldig daran waren die Richter, die bis hin zur Rechtsverweigerung vom Instrument der „Beugestrafen“ faktisch keinen Gebrauch gemacht haben. Erst in den letzten Jahren ist eine langsame Besserung zu vermerken.

Aber auch der Gesetzgeber hat Öl ins Feuer gegossen: Um ein bereits geprüftes und rechtskräftig geregeltes Besuchsrecht durchzusetzen, muss der berechtigte Elternteil einen Durchsetzungsantrag stellen. Dafür fallen seit Mitte des Vorjahres zusätzlich Gebühren an (116 Euro in erster Instanz, eventuell 232 Euro in zweiter und 348 Euro vor dem OGH) – jeweils pro Kind wohlgemerkt.

Absurd hohe Gebühren

Es ist absurd, solche Beträge bezahlen zu müssen, damit der obsorgeberechtigte Elternteil einmal abgemahnt wird oder 100 Euro Beugestrafe erhält, der rechtswidrig Geschädigte aber wesentlich höhere Beträge selbst tragen muss, weil im Verfahren kein Kostenersatz vorgesehen ist.

Das Urteil kann auch präventiv dagegen wirken, Besuchsrechtsverfahren in die Länge zu ziehen, z.B. durch mutwillige Rechtsmittel, um mit der Behauptung der „Entfremdung“ den Kontakt weiter zu verweigern. Im vorliegenden Fall kann die Mutter eine Schadenersatzpflicht treffen, obwohl sie im Besuchsrechtsverfahren „gewonnen“ hat und dem Vater erfolgreich den Kontakt zum Kind verwehrt hat.

Der OGH hat aber hohe Hürden aufgestellt. Für den Zuspruch von Schmerzengeld muss eine psychische Erkrankung vorliegen, die einer Behandlung bedarf und über bloße Unlustgefühle wie Trauer oder Zorn hinausgeht. Weiters muss eine rechtswidrige und schuldhafte Beeinflussung des Kindes durch den obsorgeberechtigten Elternteil vorliegen.

Kontaktabbruch hat viele Gründe

Schon das nachzuweisen ist schwierig, weil Psychologen stark gegen die Einteilung der Eltern in „gut“ und „böse“ sind. Oft liegt eine Vielzahl von Faktoren vor, die zum Kontaktabbruch führen. Die wenigen extrem konfliktträchtigen bzw. höchst strittigen Fälle sind allerdings um eine Facette erweitert. Das muss man aber im Interesse aller betroffenen Kinder hinnehmen. Ich sehe keinen Bedarf für den Gesetzgeber, tätig zu werden.


Dr. Günter Tews ist juristischer Angestellter der Anwaltssocietät Sattlegger, Dorninger, Steiner und Partner in Linz und Wien.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2011)

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