Höhere Frauenquote, mehr Erfolg

Quotenregelungen sind aufgrund „struktureller Diskriminierung“ notwendig – und sind auch ökonomisch von Vorteil.

In letzter Zeit werden Quotenregelungen, die eine höhere Repräsentation von Frauen verbürgen sollen, vermehrt diskutiert. So musste sich Sabine Seidler, designierte Rektorin der TU Wien, deren Bestellung ganz ohne Rekurs auf Quotenregelungen erfolgt ist, in fast jedem Interview dazu äußern – und wurde prominent mit dem Statement zitiert, sie halte Quoten für schädlich, weil diese die Leistungen von Frauen herabwürdigten. Dass sie solche Maßnahmen politisch für notwendig hält, ging da fast unter.

Kontroverse Debatten gibt es auch dazu, ob börsenotierte Unternehmen verpflichtet werden sollen, bei der Besetzung ihrer Aufsichtsräte Geschlechterquoten einzuhalten. Während in Norwegen strenge Regelungen zu einer hohen Repräsentanz von Frauen in solchen Boards geführt und norwegischen Unternehmen auf dem Weltmarkt sichtlich nicht geschadet haben, entschied man sich hierzulande für eine „österreichische Lösung“: Aufsichtsräte von staatsnahen Betrieben müssen bis 2018 einen Frauenanteil von 35 Prozent aufweisen. Sanktionen im Fall der Nichterfüllung: keine.

Warum soll es überhaupt quotierte Vorrangregeln geben, die an das Geschlecht anknüpfen? Quotenregelungen reagieren auf das Problem der Unterrepräsentation. Sie greifen in den Wettbewerb um Ausbildungsplätze, Jobs, Ämter und Funktionen ein, indem sie die vorrangige Berücksichtigung der Angehörigen von benachteiligten Gruppen vorsehen.

Deren Unterrepräsentation wird als Ergebnis einer rechtlichen und sozialen Struktur gesehen, die es ihnen schwieriger macht, in lukrative und mächtige Positionen vorzudringen. Die Rede ist daher von „struktureller Diskriminierung“: Eine im Einzelfall oft schwer fassbare diskriminierende Struktur führt dazu, dass ein marginalisierendes Merkmal wie das weibliche Geschlecht benachteiligend in Entscheidungen einfließt.

Wichtige EuGH-Feststellung

In diesem Sinn hat der EuGH bereits 1997 festgestellt, dass „selbst bei gleicher Qualifikation die Tendenz besteht, männliche Bewerber vorrangig vor weiblichen Bewerbern zu befördern“. Formale Gleichbehandlung reicht demnach nicht aus, um Benachteiligungen zu verhindern. Es bedarf einer materiellen (Chancen-)Gleichheit, zu deren Herstellung Quotenregelungen eingesetzt werden. Sie dienen dazu, eingesessene Vorurteilsstrukturen gleichsam „aufzubrechen“.

Rechtfertigungen von Quotenregelungen rekurrieren auch auf den Wert der „diversity“. Vielfalt in Gremien führe zur Steigerung der Qualität von Entscheidungen und sei damit auch ökonomisch zuträglich. So weisen Studien des Unternehmensberaters McKinsey unter dem Titel „Women Matter“ auf, dass Unternehmen mit einer höheren Frauenquote und daher größerer Vielfalt in Entscheidungspositionen im Schnitt erfolgreicher sind. Damit kann das unselige Argument entkräftet werden, dass Quotierung zur Aufnahme minder qualifizierter Personen und daher zu Effizienzverlusten führen würde.

Denn hinreichende Qualifikation ist bei allen gängigen Quotenmodellen ein selbstverständliches Kriterium. Wenn die Vorrangregel nur bei gleicher Qualifikation greifen soll, dann ist die „Quotenfrau“ ohnehin die Bestqualifizierte – sie ist es bloß nicht allein, sondern neben ihr gab es noch einen gleich gut qualifizierten Mann. In so einem Fall könnte sonst gerechterweise ohnehin nur das Los entscheiden.

Elisabeth Holzleithner lehrt Rechtsphilosophie und Legal Gender Studies an der Uni Wien und trägt zum Thema dieses Gastbeitrages beim heurigen „Sommerdiskurs“ am Wolfgangsee vor.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2011)

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