Ende der österreichischen Mediengemütlichkeit

Gastkommentar. Die scharfe Kritik des Privatsender-Verbandes an ORF-Chef Wrabetz ist zugleich eine unbeabsichtigte Wahlempfehlung für diesen.

Wenn der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) das Konzept eines Bewerbers um die ORF-Generaldirektion – wie am 1.August via Presseaussendung und nachfolgendem offenen Brief – scharf kritisiert, dann ist das eine unbeabsichtigte Empfehlung für den ORF-Stiftungsrat, genau diesen Bewerber zu wählen.

Wenn sich die Interessensvertretung der Privatsender um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angeblich Sorgen macht, dann gelten die wahren Sorgen gewiss dem Wohl der kommerziellen Privatsender. Früher hätte ein Vertreter der Zeitungsherausgeber oder des Privatrundfunks schon aus stilistischen Gründen sich in der Bewerbungsphase nicht in die Kandidatenlage des ORF öffentlich eingemischt. Neu ist auch der deutlich aggressivere Tonfall des VÖP gegenüber dem Küniglberg. So wie auch der VÖZ, der Verband der Zeitungen, seit längerem dem ORF immer stärker die Zähne zeigt.

Die österreichische Mediensozialpartnerschaft steuert also dem Ende zu? War früher das meiste zum Wohlgefallen beider Seiten zwischen VÖZ und ORF hart aber amikal ausverhandelt worden, rufen heute die großen Medien-Player öfter und stärker nach der ordnenden politischen Hand und lobbyieren heimlich. Der zu regelnde Bereich hat in den letzten Jahren an Komplexität gewonnen: neue Mitbewerber durch den Online- und Telekom-Sektor sowie noch stärkere internationale Verflechtung der klassischen Medien auf Eigentümerebene, brachten nicht nur mehr Streitparteien an den Verhandlungstisch.

Forderung nach Subventionen

Da die meisten als österreichisch firmierenden Privat-TV-Sender bloß den Standort hier haben, aber deutschen Konzernen und internationalen Hedgefonds gehören, hielt ein neuer Stil Einzug. Die Gewinnerwartungen im Mediengeschäft bekommen internationale Dimensionen, das Ende der Bescheidenheit ist angesagt. Das Ende der österreichischen Mediengemütlichkeit fordert die österreichische Medienpolitik zunehmend. Forsch fordern jene privatwirtschaftlichen Medienunternehmer, die öffentliche Unterstützung des gemeinwirtschaftlichen Rundfunks immer heftiger attackieren, Subventionen für sich – und kriegen sie auch.

Ausweitung der Finanzquellen

Dr. Alexander Wrabetz strebt in seinem Konzept für eine zweite Amtsperiode nach einer Ausweitung der Finanzierungsquellen: Er wolle eine „Gebührenerhöhung“, behauptet der VÖP-Vorsitzende Dr. Klaus Schweighofer. Da hat er das Wrabetz-Papier aber entweder ungenau gelesen oder behauptet mutwillig Falsches, denn Wrabetz will – so steht es richtig in seinem Konzept – „die Programmentgelte nicht real erhöhen, aber zumindest teilweise und nach Notwendigkeit an die Inflation anpassen“.

Erhöhung ist etwas Anderes und ließe sich am Beispiel kürzlicher Abotarif-Erhöhungen mancher Zeitungen und Magazine treffend illustrieren. Schweighofer weiter: „Zweitens soll der Zuschuss, den der Bund dem ORF im Jahr 2010 unter dem etwas irreführenden Titel ,Refundierung der Rundfunkgebührenbefreiungen' und mit einer klaren Befristung genehmigt hat, nun unbefristet weitergezahlt werden“. Er erläutert nicht, warum der Begriff „etwas irreführend“ sei, meint damit aber wohl nicht, dass der ORF nur einen Teil refundiert bekommt.

„Drittens sollen die Werbemöglichkeiten des ORF ausgedehnt werden und der ORF somit noch mehr Möglichkeiten erhalten, die Finanzierungsmöglichkeiten privater Medienunternehmen erheblich zu beeinträchtigen“, behauptet der VÖP-Vorsitzende weiters – und ist auch dabei recht ungenau. Denn Wrabetz lädt in seinem Konzept die privaten TV-Mitbewerber ein, gemeinsam die TV-Werbung in Österreich attraktiver zu machen und somit das Werbe-Kuchenstück für Fernsehen insgesamt zu vergrößern. Denn derzeit hat die TV-Werbung mit einem Anteil von nur 23 Prozent an den Gesamtwerbeausgaben in Österreich den europaweit kleinsten Anteil.

Schweighofer scheut auch nicht davor zurück, Wrabetz Forderungen unsinnigerweise als „Abgehobenheit des Monopolfunks“ zu klassifizieren. Die „bisherigen Sparbemühungen“ des ORF bezeichnet er im Vergleich zu den Rationalisierungsmaßnahmen privater Medien in den letzten Jahren „bestenfalls als ,ambitioniert', aber keinesfalls als ,einschneidend'“. Tatsächlich hatte der ORF 2007 4.023 Mitarbeiter, 2010 dann nur mehr 3.505, also um knapp 13 Prozent weniger. Dass Wrabetz durch weitere Einsparungen die Medienqualität gefährdet sieht, will der VÖP-Chef nicht nachvollziehen.

Beim VÖP scheint bis heute der Unterschied zwischen Public Value Managment und dem Management eines privaten Medienunternehmens nicht klar zu sein. Das Ziel eines, am medialen Gemeinwohl sich zu orientierenden, öffentlichen Rundfunks ist es, höchste journalistische und mediale Qualität hervorzubringen, und nicht dank möglichst niedriger Personalkosten ein am Markt gerade noch gängiges Medienprodukt zu platzieren, das möglichst hohe Gewinne für den Medieneigentümer bringt. Daher sind diese vom VÖP geforderten direkten Vergleiche zwischen der Ökonomie des privatwirtschaftlichen und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks grober Unfug.

Ausführliche Abschnitte

„Im Programm ist endlich der gesetzliche Auftrag umzusetzen: Österreich muss in den Mittelpunkt gestellt werden und der journalistischen Qualität (...) deutlich mehr Sendeplatz eingeräumt werden.“ Mit dieser einzigen Forderung an das Inhaltliche im ORF beweist der VÖP-Vorsitzende endgültig, dass er große Teile des Wrabetz-Konzepts nicht gelesen hat, denn die Abschnitte über Qualitätsmanagement und künftige Programmentwicklung sind zu ausführlich, um sie übersehen zu können.

Fritz Hausjell ist Ao.Univ.-Prof. am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2011)

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