Die „Sauerei“, die gar keine ist

Anmerkungen eines ärztlichen Praktikers zur jüngst vom VKI losgetretenen Debatte über die sogenannte Zweiklassenmedizin.

Eine rezente Studie des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) zur sogenannten Zweiklassenmedizin hat für Aufsehen gesorgt und sogar den Gesundheitsminister die Contenance verlieren lassen. Eine „Sauerei“ sei diese Zweiklassenmedizin, lautete sein Statement. Leider hat der Minister offenbar ein kräftiges Wissensdefizit. Bei näherer Überprüfung des Sachverhaltes erkennt man nämlich rasch, dass die „Sauerei“ eine in Wirklichkeit für alle Beteiligten eindeutig vorteilhafte Situation ist.

In öffentlichen und gemeinnützigen Spitälern beträgt der Privatpatientenanteil zwischen zehn und 25Prozent. Diese Patientengruppe finanziert daher zu einem wesentlichen Teil die Einrichtungen der stationären Allgemeinversorgung mit. Patienten ohne Zusatzversicherung profitieren auf diesem Weg von den freiwillig aufgebrachten Geldern, welche die Privatpatienten in ihre Zusatzversicherung einzahlen.

Diese Mittel, die über die Versicherungen an die Spitäler ausgeschüttet werden, verwenden die Krankenhäuser nämlich für Investitionen, Renovierungen und Modernisierungen. Öffentliche und gemeinnützige Häuser dürfen definitionsgemäß keine Gewinne beiseitelegen, sondern müssen die Einkünfte für genau solche Zwecke wiederverwenden.

Privatversicherte entlasten

Bekämen die öffentlichen Spitäler dieses Geld aus dem Privatbereich nicht, müssten die Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Letztlich entlasten also die Privatversicherten die öffentlichen Budgets (die sie ja durch ihre Pflichtbeiträge ohnehin ebenfalls mitfinanzieren). Man braucht daher nicht so tun, als ob die Zusatzversicherten nur den Rahm der Medizin abschöpfen würden. Man sollte ihnen vielmehr ein Dankeschön aussprechen – auch und vor allem als Gesundheitsminister.

Freilich fließt ein ansehnlicher Teil der erwähnten Gelder an die Ärzte. Aber auch dadurch erspart sich die öffentliche Hand etwas: In Österreich sind die Privathonorare ein nicht unwesentlicher Teil des Einkommens angestellter Ärzte, vor allem jener der Führungsebene. Im internationalen Vergleich sind die Gehälter von Primar- und Oberärzten hierzulande eher mickrig. Durch die gesetzlich geregelte Möglichkeit, Privathonorare zu lukrieren, wird dieses Manko etwas abgefedert. Es wird also ein Anreiz für namhafte Ärzte geschaffen, im gemeinnützigen Gesundheitsbereich tätig zu bleiben. Das kommt allen Patienten, auch den nicht privatversicherten, zugute. Die Sauerei ist also definitiv keine.

Zur besagten VKI-Studie ist anzumerken, dass sie von seltsamen Prämissen ausging und die Methodik zumindest fragwürdig war. Der Graue Star, dessen Versorgung in der Studie untersucht wurde, ist keine bedrohliche Erkrankung, bei der eine Wartezeit gefährliche Auswirkungen für die Patienten haben kann. Aus den aufgrund der großen Zahl von Grauer-Star-Patienten resultierenden Wartezeiten eine desaströse Grundversorgung herauszulesen, ist verquer.

Österreichs Patienten können sicher sein, dass sie bei akuten, schweren, schmerzhaften oder sonstigen gefährlichen Erkrankungen raschest die beste Versorgung bekommen – völlig unabhängig davon, ob sie privat, allgemein oder gar nicht versichert sind.

Prim. Dr. Marcus Franz ist Ärztlicher Direktor des Hartmannspitals, Vorstand der internen Abteilung.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2011)

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