No art of shame: Über den moralischen Flachwurzler heute

Wenn man in höchster Position lange ungestraft korrupt ist, woher sollten dann plötzlich Anstand, Reue oder Gewissen kommen?

Er hat nicht Hump gesagt und Lump gemeint. Er hat nicht art of shame und auch nicht fart of blame gesagt, sondern – no na: part of the game.

Was er gesagt hat, bestreitet er (mittlerweile) gar nicht. Das weiß das ganze (obrigkeitshörige) Land auch schon seit zwei langen Jahren. Zwei Jahre lang die Absurdität einer Unschuldsvermutung.

Aber das Unrechtsbewusstsein fehlt bei ihm restlos! No na: Wenn man in höchster Position schon so lange ungestraft und ganz selbstverständlich korrupt ist, woher sollten dann jetzt plötzlich Anstand, Reue oder Gewissen kommen? Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, basta!

Durchtauchen! Kaugummikauen!

Nach der überflügelten und niedergebügelten politischen Konkurrenz sind es jetzt eben die Medien, die Justiz... Wurscht! Durchtauchen! Kaugummikauen! Selbstverteidigungsplakate auf Steuerkosten drucken! Einrückendmachung der Parteisoldaten. Aufmarsch. Die Waffen der Soldaten: Diffamierung. Verfluchung. Morddrohung. Einen Jammerrundbrief an die gesamte Bevölkerung verschicken.

Die Kosten? Zigtausende Euro! Dafür ist immer Geld vorhanden. Wenn man eines braucht, erhöht man einfach die Parteienförderung. Das ist ja das Praktische in unserer Demokratiediktatur! Part of the Endgame.

Korruption beginnt beim Wort

Der Landeshauptmann verteidigt seinen Chef und Stellvertreter mit dem seltsamen Argument, er habe ja nur so dahergeredet und nur so getan als ob. Bei der führenden Kaste der Machtbestien ist die Einsicht mittlerweile völlig abhanden gekommen, dass Korruption nicht erst bei der ausgeführten Tat, sondern beim Wort, ja beim (lauten) Gedanken beginnt.

Seine wirkliche Wahrheit sagt ein Politiker – wenn überhaupt – eben am ehesten off camera. (Eine Gemeinheit war es natürlich, dass ausgerechnet ein frustrierter Parteifreund das Gespräch geheim mitgeschnitten hat, das dann irgendwie zu „News“ gelangte.)

Es fehlt bei der Führungskaste völlig das Verständnis dafür, dass für einen gewählten (und mit massiven Privilegien ausgestatteten) Volksvertreter höhere moralische Maßstäbe gelten (sollten) als für irgendeinen Privatier, der zum Beispiel stockbesoffen mit 142 km/h durch Ortsgebiet rast.

Einzigartig auf der Welt

Dass ein in erster Instanz zu einer Haftstrafe über ein Jahr verurteilter Politiker seine Funktion nicht wenigstens ruhend stellt, ist wohl einzigartig auf der Welt. Dass Menschen und Medien das durchgehen lassen, wohl auch.

Aber wenn man seinen hoch dotierten Machtposten letztlich einem zu verdanken hat, für den keine Regeln und keine Gesetze galten... Immerhin versuchte der aber zumindest nebenbei den Anschein zu erwecken, auch für Land und Leute zu wirken. Der hatte noch Ideen: manche gute, viele seltsame und noch mehr völlig hirnrissige.

Was übrig bleiben wird

Vom jetzigen Landeshauptmann-Stellvertreter ist keine Idee zu Bekanntheit gelangt, keine politische Tat, schon gar keine Sozialleistung. Er wird als volksferner Finanzabenteurer und skrupelloser Selbstbediener in die Geschichte eingehen, als nichts sonst.

Wie lang er sich auch noch in seinem Amt verschanzen mag: Übrig bleiben wird vom moralischen Flachwurzler no art of shame, no fart of blame, bloß Korruptheit als part of the game.

Egyd Gstättner (* 25. 5. 1962 in Klagenfurt) studierte Germanistik und Philosophie an der Uni Klagenfurt. Er ist Schriftsteller und Essayist. Noch im September wird in Wien sein neues Buch „Absturz aus dem Himmel“ präsentiert (erscheint im Picus Verlag).


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2011)

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