Es geht um Ideologie, nicht um Pressefreiheit

Weil die Ungarn „falsch“ gewählt haben, fahren die Blockwarte des Klassenkampfes in Österreich und Deutschland ihre Kampagnen.

Seit die Ungarn den Fehler begangen haben, „falsch“ zu wählen, reißen die Kampagnen nicht ab. Freilich, es sind immer die gleichen durchsichtigen Phrasen, mit denen der Untergang der Demokratie beschworen wird, es sind immer die gleichen Gestalten, die – vom Heil des Sozialismus getragen – die Freiheit in Gefahr sehen, und es sind immer dieselben Kronzeugen, die sich da als Informanten zur Verfügung stellen. Man kennt all die billigen, längst widerlegten Vorwürfe, ist nicht einmal mehr verstimmt.

Auffällig ist dabei nur, dass man immer wieder Institutionen findet, die sich – offenbar mangels seriöser Informationen – für diese Kampagnen einspannen lassen. So jüngst geschehen bei der Auszeichnung zweier Ungarn in Wien.

Die Retter der Pressefreiheit

„Reporter ohne Grenzen“ hielt es für notwendig, der Journalistin Maria Vasarhelyi und ihrem jungen Kollegen Pal Daniel Renyi einen Preis zu verleihen. Dass die beiden für dezidiert linke Blätter arbeiten – na und! Dass Frau Vasarhelyi wegen einer witzig gemeinten Formulierung gegen zwei linke Kollegen vor Gericht zog, weil diese „unerzogene Deppen“ seien: Naja, unter Meinungsfreiheit versteht offenbar jeder etwas anderes.

Dass Renyi bei einem Blatt arbeitet, das mit dem „Falter“ vergleichbar ist und das schon seit 1991, verstärkt dann ab 1993, gegen „Fidesz“ kampagnisiert – soll sein, beweist aber eigentlich nur, dass es um die Pressefreiheit in Ungarn so schlecht nicht bestellt sein kann.

Viel interessanter ist, wer sich hier zum Retter der Pressefreiheit in Ungarn stilisiert hat. Da ist zum einen der Sprecher der Jury, Albert Rohan, der seit Jahren der Türkei einen Heiligenschein verpasst. Nur damit der Bezug klar ist: „Reporter ohne Grenzen“ hat die Türkei bezüglich der Pressefreiheit auf Platz 138 von insgesamt 178 eingestuft, hinter Zimbabwe (123), Bangladesch (126) und der Ukraine (131). Herr Rohan hätte also ein weites Feld für sein Engagement in Sachen Pressefreiheit.

Nach der Pfeife der Genossen

Und da ist zum anderen Paul Lendvai, der in seiner Laudatio meinte, „von der Einhaltung ethischer Standards und der Professionalität kann bei den öffentlich-rechtlichen audiovisuellen Medien [...] keine Rede sein.“ Wohlgemerkt, der Kollege Lendvai meinte nicht den ORF, auf den diese Einschätzung ohne jeden Zweifel zutrifft – jenen Sender, der für die Auswahl von Talkshow-Gästen bei der SPÖ anfragt und bei der Bestellung eines Chefredakteurs nach der Pfeife der Genossen tanzt. Herr Lendvai fände also ein weites Feld vor bei seinem Engagement für die Pressefreiheit.

Dabei soll keineswegs übersehen werden, dass sich die Regierung Orbán vielfach ungeschickt verhalten hat, so auch bei der Neuordnung der Medienlandschaft.

Die Letzten aber, die nun vom Tod der Pressefreiheit reden sollten, sind jene Kolonnen, die zuvor die korrupten linken Regierungen unterstützt haben, denen es mitnichten um Pressefreiheit, sondern vielmehr um Ideologie geht. Wie gesagt: Die Ungarn haben halt „falsch“ gewählt, deshalb müssen die Blockwarte des Klassenkampfes in Österreich und Deutschland nun ihre Kampagnen fahren.

Was an Substanz bleibt

Bleibt an Substanz: Die Organisation „Freedom House“ hat Ungarn in Sachen Pressefreiheit in der Kategorie „frei“ eingestuft, und Preisträger Renyi hat bei der Preisverleihung in Wien darauf hingewiesen, dass es keinen einzigen konkreten Fall für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Ungarn gebe.

Professor Detlef Kleinert begann seine berufliche Laufbahn beim Bayerischen Fernsehen. Er war unter anderem Südosteuropa-Korrespondent der ARD in Wien.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2011)

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