Der seltsame Wunsch von Autoren nach dem Überwachungsstaat

Michael Amon forderte restriktive Gesetze gegen Internetnutzer. Aber diese würden ihn und andere Künstler auch nicht reicher machen.

Der Autor Michael Amon, Unterstützer der Initiative „Kunst hat Recht“ und Befürworter des Acta-Abkommens (Anti-Counterfeiting Trade Agreement), setzt in seinem „Presse“-Gastkommentar (2. 3.) Urheberrechtsverletzungen mit Mord und Totschlag gleich. Für ihn ist es die „verdammte Pflicht des Staates“, restriktive Gesetze zu schaffen, um Internetnutzer zu kriminalisieren, zu überwachen und abzustrafen.

Im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen werden oft Wörter wie „Piraterie“ oder „Raub“ verwendet. Diese radikale Sprache führt in die Irre. Sie schafft Assoziationen zu Kapitalverbrechen wie Mord oder Bankraub („Panzerknacker“), die zu Recht mit langen Haftstrafen geahndet werden. Das ist ein oft bemühtes Dogma von Rechteverwertern und der sogenannten Content-Industrie.

Steuert „Kunst hart rechts“?

Acta, das Abkommen gegen das in den vergangenen Wochen europaweit Hunderttausende auf die Straße gingen, erscheint Amon nur recht. Acta erweitert das bisher gültige Trips-Abkommen, das in Zusammenarbeit mit Konzernen wie Time-Warner, Pfizer oder Monsanto entstanden ist. Damit würde bei Umgehung der Rechtsstaatlichkeit die Kriminalisierung von Internetnutzern ermöglicht.

Bei vorbereitenden Treffen kamen „rund 90 Prozent der Teilnehmer aus der Industrie“, so EU-Abgeordneter Martin Ehrenhauser. Die Content-Industrie habe das Abkommen „de facto selbst geschrieben“.

Amon ist Unterstützer einer Initiative namens „Kunst hat Recht“. Laut Impressum ist die Agentur „The Skills Group“ für die Umsetzung verantwortlich; ein Unternehmen, das für Monsanto und Pfizer tätig war und für Lobbying auf hohem Niveau bekannt ist.

Von den meisten Unterstützern hat man bisher kaum etwas gehört. Eine besondere Internet-Affinität sucht man vergeblich. Netzaktivisten betiteln die Initiative inzwischen auch mit „Kunst hart rechts“. Das geschieht wohl in Anspielung auf den publizierten Forderungskatalog, worin die finanzierenden Verwertungsgesellschaften Zugriff auf Daten der Vorratsdatenspeicherung, Überwachung des Internets, Abmahnungen und Internetsperren fordern.

Horrende Schadenersatzfantasien

Amon erträumt im Fahrwasser der Verwertungsindustrie also Mehreinnahmen durch Schadenersatzforderungen gegen all die „Räuber und Diebe“ im Internet, die angeblich seine Rechte verletzen. Gemäß Acta-Berechnungsmodell könnten Rechteinhaber mit an Schutzgelderpressung erinnernder Methodik Fantasiebeträge einfordern, die weder realistisch noch fair sind.

Dass heimische Künstler davon auch nur einen Cent sehen würden, darf bezweifelt werden: Im Internet getauschtes „geistiges Eigentum“ mag das aktuellste Album von Justin Bieber sein, aber kaum Werke von Michael Amon, der seine internationale Bedeutung vielleicht etwas überschätzt. Es verdienen amerikanische Verwertungsgesellschaften und Juristen, während Herr Amon zwar einen Überwachungsstaat herbeigewünscht hat, aber immer noch am Hungertuch nagt.

Gönnerhaftes Urteil

Am Ende urteilt Amon gönnerhaft, dass der Nobelpreisträger Milton Friedman einmal in seinem Leben recht gehabt hätte. Dieser Ökonom trat übrigens für eine möglichst kleine Rolle des Staates und gesellschaftliche Freiheit ein.

Kein Wunder, dass Michael Amon damit Probleme hat.

Evelyne Haberl ist überzeugte Datenschützerin, Netzaktivistin, Programmiererin, freie Piratin und Tierschützerin. Mitwirkend bei sender.fm, sprungbrettwien.at und zeichnemit.at und bloggt auf evebugs.net


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.