Und nützt den Afroamerikanern, dass sie den Präsidenten stellen?

Die Perspektiven für die schwarze Bevölkerung der Vereinigten Staaten blieben düster, obwohl Obama weitere vier Jahre regiert.

Klar hat die überwältigende Mehrheit der Afroamerikaner bei den US-Präsidentschaftswahlen am vergangenen Dienstag für Barack Obama gestimmt. Er ist „ihr“ Mann. Es ist auch bereits zur Genüge kommentiert worden: Die Republikaner sind dabei, den voranschreitenden demografischen Wandel in den USA zu verschlafen. Und wenn sie nicht endlich aufwachen und sich darum bemühen, über ihre schrumpfende Stammklientel der zornigen weißen Männer hinaus neue Wählergruppen zu erschließen, werden sie auch die nächsten Präsidentenwahlen verlieren.

Auf der Verliererseite aber befinden sich auch die Afroamerikaner, obwohl einer aus ihren Reihen weitere vier Jahre im Weißen Haus regieren wird. In der letzten Ausgabe von „The American Interest“, die „Rasse und Klasse in den USA“ einen Schwerpunkt widmet, analysiert der Politikwissenschaftler Walter Russell Mead den gesellschaftlichen Wandel in seinem Land und sieht dabei für die schwarze Bevölkerung keine guten Perspektiven.

Mead weist darauf hin, dass seit den 1970er-Jahren immer mehr Schwarzamerikaner in die Mittelklasse aufgestiegen sind, nachdem die Türen zum Militär, zum Justizwesen, in der akademischen Welt für sie plötzlich genauso offen waren wie zuvor schon im Sport, in der Musik- und Unterhaltungsbranche. Diesem Aufstieg war vorausgegangen, dass Beamtenstellen für sie zugänglich geworden sind: im Polizei- und Gesundheitswesen, bei Post, Feuerwehr und Verwaltung. Afroamerikaner machten 2011 elf Prozent der arbeitsfähigen US-Bevölkerung aus, waren aber in Post und Verwaltung mit 21 bzw. 20 Prozent vertreten.

Freilich, unter den Schwarzamerikanern gab es immer eine große Gruppe, die den Sprung in die Mittelklasse nie geschafft hat; sie vegetiert in den verwahrlosten Zentren großer Städte, kaputte Familien, die Väter oft im Knast, schlechte Schulen, Drogenmissbrauch, keine oder nur schlecht bezahlte Jobs. Ein Kreislauf der Armut und Kriminalität, aus dem es nur schwer ein Entkommen gibt.

Die schlechte Nachricht, die Walter Russell Mead für alle Afroamerikaner hat, ist: Nicht nur die Schwarzen der urbanen Unterschicht können aufgrund der gewaltigen Löcher in den föderalen, (einzel-)staatlichen und kommunalen Budgets mit keiner Verbesserung ihrer Lage rechnen, auch den schwarzen Mittelständlern droht höchste Gefahr. Denn die Einsparungen in der Beamtenschaft aufgrund der knappen Kassen werden vermutlich gerade sie treffen. Selbst unter dem schwarzen Präsidenten Obama war die Arbeitslosigkeit unter Afroamerikanern mit über 16 Prozent (Juni 2011) doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Und die Wohlstandskluft zwischen weißen und schwarzen Haushalten ist auch unter Obama gewaltig geblieben, weiße Haushalte sind 22 Mal wohlhabender als schwarze.

Wenn aber die Stagnation im amerikanischen Wirtschaftsleben weiter anhält, die Regierungen deshalb den Gürtel noch enger schnallen müssen, „wird es weniger Jobmöglichkeiten, stagnierende oder fallende Löhne und Gehälter genau in jenen Mittelstandsposten geben, in denen die Schwarzen zuletzt die größten Erfolge erzielt haben“, prophezeit Mead. Dazu kommt auch das Schwinden des politischen Einflusses. Denn die hispanischen und asiatischen Einwanderer erweisen sich in der Organisation von Netzwerken zur Durchsetzung ihrer Interessen teilweise geschickter als die alteingesessenen Afroamerikaner. Aber es könnte für das ganze Land in eine Katastrophe ausarten, wenn schwarze Hautfarbe wieder zum Synonym für gesellschaftlichen Bodensatz wird.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2012)

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