Als Österreich knapp einem blutigen Terrorüberfall entging

Über die fehlgeschlagene Geiselnahme im Schloss Schönau Anfang 1973. Und „Geo“ untersuchte das Sterben der Wörter.

Verdrängt oder vergessen: Nur wenige Monate nach der spektakulären Geiselnahme bei den Olympischen Spielen in München 1972 plante die palästinensische Terrororganisation „Schwarzer September“ ihre nächste Großaktion: einen Überfall auf das Transitlager für jüdische Auswanderer aus Osteuropa im niederösterreichischen Schönau. Wäre die Geiselnahme im damals überbesetzten Schloss Schönau an der Triesting gelungen, hätte der Ausgang des Terrordramas noch viel blutiger sein können als auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck bei München am 5.September1972 (elf ermordete israelische Geiseln, ein erschossener deutscher Polizist, fünf tote palästinensische Attentäter). Aber die Operation scheiterte schon im Vorbereitungsstadium. Zwei Teams des „Schwarzen September“, die Anfang 1973 getrennt nach Wien gekommen waren, konnten verhaftet werden.

In der Herbstausgabe der in München herausgegebenen „Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte“ schildert der Wiener Historiker Thomas Riegler detailliert Ablauf und Umfeld des misslungenen Terrorüberfalls und gibt gleichzeitig auch Einblick in die damalige Struktur des „Schwarzen September“ in Westeuropa mit seinen Stützpunkten in Genf und Paris. Hochinteressant auch Rieglers Schilderungen über die damals enge Zusammenarbeit zwischen dem israelischen Auslandsgeheimdienst „Mossad“ und den österreichischen Sicherheitsbehörden. So wurden zu den Verhören der verhafteten Terroristen israelische „Dolmetscher“ hinzugezogen, was dazu führte, dass der israelische Botschafter in Wien über die Aussagen früher informiert war als der österreichische Innenminister.

Und noch ein zweiter Aufsatz der „Vierteljahreshefte“ hat einen Wien-Bezug: Die Münchner Historikerin Andrea Löw dokumentiert die ersten Deportationen von Wiener Juden in das von den Nazis besetzte Polen im Oktober 1939: 1600 der 65.000 in Wien verbliebenen Juden wurden in zwei Transporten nach Ostpolen deportiert und dort weitgehend sich selbst überlassen. Es gab damals ja noch keinen „Vernichtungsbefehl“, bei der „Lösung der Judenfrage“ hatten die Nazis 1939 noch Umsiedlungen im Sinn. Diese ersten Deportationen aus Wien organisieren musste auf Druck von Adolf Eichmann, dem Leiter der Wiener Zentralstelle für Auswanderung, die Israelitische Kultusgemeinde. Sie aber wurde, wie die abgedruckten Briefe zeigen, von den Deportierten dann auch für ihre entsetzlichen Lebensumstände in Ostpolen verantwortlich gemacht.

Einem alle betreffenden, wenn auch nicht alle bewegenden Thema widmet sich die November-Ausgabe des deutschen Magazins „Geo“, nämlich: Ist die deutsche Sprache dem Untergang geweiht? Zahllos sind ja die Klagen über die Verluderung der deutschen Sprache durch Anglizismen, durch das Aussterben so mancher Wörter, durch die Kürzelsprache in den digitalen Medien oder die „Prolosprache“ von Unterschichten.

Die Autorin Johanna Romberg gibt nach ihren Recherchen bei Sprachforschern an deutschen Universitäten Entwarnung: Der Fremdwortanteil im Deutschen liege mit rund 20 Prozent nicht höher als vor Jahrzehnten; Latein, Griechisch und Französisch prägten die deutsche Sprache nach wie vor stärker als Englisch („Denglisch“). Tatsächlich sterben manche Wörter aus, aber seit 2009 haben auch 5000 neue Wörter Eingang im Duden gefunden. Und tatsächlich geht die Zahl der Wörter pro Satz im Deutschen kontinuierlich zurück, aber nicht wegen SMS oder Tweets, sondern, wie Wissenschaftler herausfanden, bereits seit 1850. Ja, und den Gossenjargon, den hat es in der deutschen Sprache schon immer gegeben.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2012)

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