Braune Mörder und rote Randalierer: Pack bleibt Pack!

Die deutschen Sicherheitsbehörden beobachten verstärkt die Rechtsextremisten-Szene. Den Linksradikalen ist's recht.

Der Schreck steckt deutschen Polizisten und Verfassungsschützern immer noch in den Knochen, das schlechte Gewissen plagt viele von ihnen bis heute: dass eine Kleinbande von drei Rechtsextremisten von 2000 bis 2006 zehn Morde – neun der Opfer waren Einwanderer – begehen konnte und die Mörder jahrelang unentdeckt blieben. Und es wäre nicht Deutschland, wenn nicht längst eine peinlich genaue Aufarbeitung der Fahndungsfehler im Gange wäre. Klar auch, dass ein Teil des Problems bei der Fahndung im hyperföderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik lag: Gleich 38 Sicherheitsdienststellen sind in Deutschland mit der Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und organisierter Kriminalität befasst. Eine bessere Koordination ist also zwingend.

Die Rechtsradikalen-Szene wird inzwischen so intensiv beobachtet wie nie zuvor. Bei einer jüngsten Fachtagung der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad Kreuth zur Terrorismus-Gefahr in Deutschland hieß es, dass etwa der Verfassungsschutz in Bayern inzwischen vier Fünftel seines Personals für die Beobachtung der gewaltbereiten rechtsextremen Szene einsetzt. In anderen deutschen Bundesländern wird es nicht viel anders sein. Vier Fünftel! Das heißt, das andere Aufgabenbereiche wie der Linksextremismus und die organisierte Kriminalität wohl vernachlässigt werden, weil die Verfassungsschutz-Mitarbeiter eben anderweitig beschäftigt sind.

Deutsche Linksextremisten und Autonome reiben sich da vermutlich vergnügt die Hände. Weitgehend ungestört können sie in Städten wie in Hamburg, Berlin oder Köln weitere Gewaltpartys vorbereiten oder ihren linken Gesinnungsgenossen in Wien am Rande eines Burschenschafterballs zeigen, wie man richtig zur Sache geht und eine Geschäftsstraße demoliert. Das linksgesinnte Bürgertum nimmt's sowieso ungerührt hin. In der Zeitschrift „Politische Studien“ der Hanns-Seidel-Stiftung weisen drei junge Forscher in einem Beitrag über den Linksextremismus darauf hin, dass die sozialwissenschaftlichen Studien über das rechtsradikale Milieu zwar inzwischen halbe Bibliotheken füllen, die linksradikale Szene aber weitestgehend unerforscht ist: „Militante linke Gruppen können daher vergleichsweise unbehelligt agieren. Es besteht die Gefahr, dass sie die gesellschaftliche Nicht-Reaktion als Zustimmung auffassen. Dadurch könnte die Zahl der Straftaten von Linksextremisten weiter in die Höhe steigen“, heißt es da.

Auch die Berliner Monatszeitschrift „Cicero“ widmet der linksradikalen Krawallszene in ihrem Märzheft einen Schwerpunkt und kommt zu dem Schluss: „Es gibt kein Recht auf Randale. Es gibt keine Legitimationsgrundlage für rechtsfreie Räume der Gewalt.“ Nach den Recherchen der Zeitschrift spüren die linksradikalen Krawallmacher auch deshalb Aufwind, weil sie verstärkt von „Ideologiefreien Jugendlichen unterstützt werden, für die das Steinewerfen auf Polizisten ein adrenalinsteigerndes Freizeitvergnügen ist“. Der Journalist Frank A. Meyer geht in einem Kommentar der Frage nach, „wie rot“ die Krawallmacher in Berlin und Hamburg, in Wien und Zürich eigentlich sind, und er erinnert an die von Sozialdemokraten geprägten Begriffe „roter Faschismus“ und „Linksfaschismus“. Meyers Einschätzung: „Rechtes Pack, linkes Pack? Einerlei. Denn letztlich ist dieses Pack gar nicht politisch, obgleich es sich selbst politisch wähnt. Indem die Schlägertrupps den Unterschied von links und rechts im Nebel der Gewalt verschwinden lassen, wirken sie destruktiv – über den materiellen Schaden hinaus.“

Emails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2014)

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