"Wenn du Wien erobern willst, dann erobere es auch"

Britische Intellektuelle diskutieren, ob und wie man sich den IS-Fanatikern im Irak militärisch entgegenstellen sollte.

Fassungslos beobachtet die Welt, wie in Syrien und im Irak einige zehntausende zu allem entschlossene Fanatiker riesige Landstriche erobern und alles niedermetzeln, was ihrem Siegeszug im Weg zu stehen scheint. Lässt sich eine solche Mörderbande denn nicht aufhalten und in die Schranken weisen? Soll man das überhaupt tun – und wer eigentlich soll sich ihnen entgegenstellen?

Das britische Intellektuellenmagazin „The Spectator“ ließ in der Ausgabe vom 16. August diese Fragen kontrovers diskutieren. Nein, der Westen sollte nicht militärisch gegen die Jihadisten vom Islamischen Staat intervenieren, argumentiert da Andrew Bacevich. Er wirft den Amerikanern vor, für sie seien Militäraktionen ein Ersatz für Strategie geworden, dabei hätten „ein Vierteljahrhundert militärischer Eingriffe im Irak und im Nahen Osten insgesamt so gut wie gar keine Ergebnisse gebracht.“ Und: „Den USA und ihren europäischen Verbündeten fehlt der Verstand, der Wille und die Macht, um die Krankheiten zu lindern, die große Teile der islamischen Welt plagen.“ Bacevich meint, dass direkt betroffene Regionalmächte wie Saudiarabien, Iran oder die Türkei viel besser positioniert seien, um sich des Jihadisten-Problems anzunehmen.

Dagegen argumentiert Max Boot: „Das Ziel des Westens sollte nicht nur die Eindämmung dieses Problems sein, sondern die Zurückdrängung. Wenn wir den Islamischen Staat bombardieren wollen, machen wir es richtig. Oder wie Napoleon treffend anmerkte: ,Wenn du Wien erobern willst, dann erobere es auch!‘“ Boot glaubt, dass mit der Entsendung von 10.000 bis 15.000 Soldaten sowie der Stationierung von Luftstreitkräften auf Stützpunkten im Irak den IS-Fanatikern beizukommen wäre. Zudem sollten neben Kriegsausrüstung auch westliche Militärberater zu den kurdischen Peschmergas und zu sunnitischen Stämmen geschickt werden, um diesen militärisch den Rücken zu stärken: „Mosul und Falluja können zurückerobert werden, bevor sich ein selbst ernanntes islamistisches Kalifat etabliert, das die Größe Jordaniens hat“, schreibt Boot. Er glaubt nämlich auch: Der Islamische Staat hat einen großen Schwachpunkt, den man ausnützen kann: Diese Fanatiker sind sogar unter sunnitischen Gläubigen höchst unpopulär.“

Die deutsche Monatszeitschrift „Cicero“ wiederum nahm den Vormarsch von IS im Irak und Aktionen von Hamas und Hisbollah zum Anlass, um zu fragen: „Ist der Islam böse?“ Inzwischen, so beklagt der Journalist Frank A. Meyer, reagieren deutsche Linke, Linksliberale und Grüne bereits empört, wenn man diese Frage auch nur stellt: Zu tagtäglichen Meldungen aus der islamischen Welt über „Massaker unter Muslimen, Terror gegen Andersgläubige, Entführung von Mädchen, Erniedrigung von Frauen, Vernichtung von Kulturgut, Versklavung von Arbeitern“, argumentierten Islam-Versteher immer gleich, dies habe „nichts, aber auch schon gar nichts mit dem Islam zu tun“, denn diese Religion sei gut.

Das Magazin lässt dann zwei Kenner über die Frage diskutieren, ob der Islam tatsächlich eine Religion des Friedens sei oder aber seine Anhänger zur Gewalt anstifte. Der streitbare Islam-Kritiker Hamed Abdel-Samad sagt da: „Das Gewaltpotenzial ist das stärkste Angebot des Islam. Das Friedenspotenzial ist viel schwächer ausgeprägt.“ Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kddor widerspricht: „Im Islam finden sie ein Menschen- und ein Gottesbild, das sie überzeugt. Sie finden Trost und Hilfe in oft sehr schwierigen Situationen, eine Ethik des gelebten Miteinanders.“

Emails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2014)

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