Über Progressive, desinteressierte Wähler und stumpfe Politiker

Zwei in Linz erscheinende Publikationen versuchen Anhaltspunkte für politisch Orientierungslose zu geben.

Oberösterreich wählt am 27. September. Nach den Überraschungen, die die Landtagswahlen im Burgenland und in der Steiermark gebracht haben, wird diesem Urnengang – zwei Wochen, bevor die Wiener zur Wahl gehen – die besondere Aufmerksamkeit der österreichischen Politik-Freaks zuteil werden. Grund genug, sich einmal zwei Publikationen anzuschauen, die in Linz gemacht werden und sich mit politischen Zeitfragen beschäftigen.

Das Kulturmagazin „Xing“ stellt in seinem Heft 28 die Frage: „Was heißt heute progressiv?“ Gar nicht so leicht zu beantworten, was sich auch daran zeigt, dass nicht wirklich ein roter Faden, der sich durch die diversen Texte ziehen sollte, erkennbar ist. Immerhin finden sich in etlichen Beiträgen interessante Denkanstöße. Der Schriftsteller Michael Amon, selbsterklärter „freidenkender Linker“, rechnet mit dem Fortschrittsglauben und den Utopien der Linken ab: „Wer vermeintliche Paradiese mit aller Gewalt (und das im Wortsinn) erreichen will, landet im Totalitarismus. Das zu erkennen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, wäre im Übrigen eine der fortschrittlichsten Leistungen der Menschheit, wenn sie nicht nur auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts zurückblickt, sondern auch die totalitären Bewegungen der Gegenwart sieht.“

Der Kommunikationswissenschaftler Thomas Duschlbauer sieht durch das Zusammengehen von radikalen Linksparteien und Rechtspopulisten wie in Griechenland eine mehrheitsfähige neue Mitte entstehen, die auch durch die Pflege gemeinsamer Feindbilder zusammengehalten werde. Der Philosoph Robert Pfaller wiederum rechnet mit der heutigen Pseudopolitik ab: Pseudopolitik bestehe darin, „die Interventionskraft des Staates und die Aufmerksamkeit der Menschen ständig vom Großen auf das unbedeutende Kleine abzulenken [...] Echte Politik hingegen besteht darin, dafür zu sorgen, dass niemand schwach ist.“

Schließlich findet sich da auch noch ein polemischer Leitfaden für alle Orientierungslosen, die auch einmal progressiv sein wollen. Was man dafür tun muss? Zum Beispiel die Amis hassen und Putin irgendwie gut finden; Jean Ziegler verehren und Ziegler-Kritiker als von der CIA und vom Mossad finanzierte Neoliberale verunglimpfen; den Chlorhühnern den Kampf ansagen und „Standard“ lesen.

Der „Attersee-Report“ wiederum wird von Leuten gemacht, die sich in der FPÖ als liberales Gegengewicht zum deutschnationalen Flügel verstehen. Tatsächlich finden sich in dem hier besprochenen Heft keinerlei dumpfe, den Hass auf andere schürende Texte, sondern vernünftige und gescheite Beiträge zum Thema „Politik als Lebenswelt“. Da analysiert etwa der Doyen der österreichischen Meinungsforscher, Andreas Kirschhofer-Bozenhardt, das Verhalten der heimischen Wählerschaft und zeigt ihr generell geringes Interesse an Politik auf. Der Eindruck von Missständen im Staat bewirke dabei kein Verlangen nach konstruktiver Mitgestaltung bei Sachfragen, sondern verstärke nur noch die innere Abkehr von der Politik.

Auf der anderen Seite fällt Kirschhofers Urteil über die österreichischen Politiker genauso katastrophal aus: Mangel an Lösungskompetenz, an ideengeschichtlichem Wissen und an Sachkenntnis über Gegenwartsfragen. „Die bisweilen geringe Sachkompetenz, aber auch merkwürdige Stumpfheit der Mandatare gegenüber geistigen Strömungen und Langzeitentwicklungen liegt dabei nicht an einem Mangel an Intelligenz, sondern an einer geringen Bereitschaft, Informationen aufzunehmen“, meint Kirschhofer.

Emails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.