Früher Nahost, heute die Arktis: Der Wettlauf um Ressourcen

Unter der schmelzenden Eisdecke des Nordpols lagern Reichtümer. Fünf Anrainerstaaten bringen sich in Position.

Wenn Wien während des Kalten Krieges jene Stadt war, in der sich die Wege der Spione aus Ost und West kreuzten, in der Agenten an sicheren Orten ihre Aufträge bekamen und in der sie einander in den Kaffeehäusern argwöhnisch belauerten – dann ist die Arktis heute der Kreuzungspunkt der technischen Spionage.“ So sieht es der amerikanische Geheimdienstexperte James Bamford. Im neuesten Heft der Fachzeitschrift „Foreign Policy“ befasst Bamford sich mit dem Wettrennen, das um die Reichtümer, die unter der Eisdecke der Nordpolregion vermutet werden, eingesetzt hat.

Fünf Länder sind am Start: Russland, Norwegen, Grönland/Dänemark, Kanada und die USA. Nach geologischen Schätzungen lagern dort 90 Milliarden Fässer Öl, rund 13 Prozent der vermuteten Ölreserven der Welt, ebenso 30 Prozent der globalen Erdgasreserven. Aber die Eisdecke wird dünner, damit vergrößern sich die Chancen, die Öl- und Gasfelder auszubeuten. Kein Wunder also, dass die Arktis-Anrainer sich in Position bringen, die Region mit Satelliten, Drohnen, Spionageflugzeugen und Abhöreinrichtungen abgetastet wird, Standorte für Militärbasen gesucht werden und dort immer mehr Wissenschaftler und „Aufklärer“ auftauchen.

Letzte Woche einigten die Anrainerstaaten in Oslo sich immerhin auf ein Fischereiverbot in den Gewässern rund um den Nordpol, sollte dieser in Zukunft einmal eisfrei sein. Dennoch, die Entwicklung ist nicht ungefährlich: Präsident Wladimir Putin erklärte die Arktisbereits zu einem „integralen Teil der Russischen Föderation“, ließ im März Militärmanöver mit 38.000 Soldaten durchführen und plant die permanente Stationierung von 7000 Militärs in der Region. Der kanadische Premier, Stephen Harper, gab die Devise aus: „Entweder wir nützen die Arktis – oder wir verlieren sie.“ Die USA, so glaubt Bamford, sind gerade dabei, sie zu verlieren: „Mit ihrer derzeitigen Arktis-Strategie werden die USA eingefroren bleiben.“

Ein anderes, früheres Wettrennen um Ressourcen und Einfluss zeichnet das neueste Heft des Geschichtemagazins „Geo Epoche“ (Nr. 73) nach, das sich der Weltreligion Islam widmet. In dem Aufsatz „Im Griff des Westens“ zeichnet Reymer Klüver das schamlose, verlogene, hinterhältige Spiel nach, das Briten und Franzosen nach dem Untergang des Osmanischen Reichs mit den Arabern gespielt haben. Erst stachelten die Briten die Araber zum Kampf gegen die Türken auf, versprachen ihnen dafür Unabhängigkeit, nur um dann zusammen mit den Franzosen willkürliche Grenzen durch den Nahen Osten zu ziehen und die Araber in der Schlacht von Chan Maisalun im Juli 1920 militärisch zu demütigen: „Diese Schlacht ist ein Symbol für Verrat und Wortbrüchigkeit der imperialistischen Mächte, die anstatt der versprochenen Unabhängigkeit nur ein neues Joch gebracht haben, ein Symbol für den Sieg des Kolonialismus, gegründet auf Gewalt und chauvinistische Überheblichkeit.“

In einem weiteren Essay wird 1979 als das Jahr seziert, in dem der Islamismus zu seinem blutigen Feldzug durch die moslemische Welt aufbrach. Drei Ereignisse machten den Auftakt: Machtübernahme der Mullahs im Iran, der Terrorangriff auf die große Moschee von Mekka und der Einmarsch der Sowjets in Afghanistan. Ein Feldzug, der immer noch andauert. Freilich: „Das erste Opfer des Jihadismus ist der Islam selbst. Mit Gott, dem Gnädigen und Barmherzigen, wie er im Koran heißt, hat die Schlächterei nichts zu tun. Sie ist blanke Blasphemie. 1400 Jahre nach Mohammed haben politische Desperados seine Botschaft usurpiert und die Gläubigen in eine blutige Katastrophe gerissen“, heißt es am Ende des Hefts ernüchtert.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2015)

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