Barack Obama: Schwächling oder geopolitischer Meisterstratege?

Der US-Präsident habe die Fundamente für Amerikas weitere Vorherrschaft in der Welt gelegt, meint ein US-Historiker.

Barack Obama wird in einem Jahr nicht mehr im Weißen Haus residieren. Die Bilanzen seiner achtjährigen Amtszeit werden dann schon geschrieben sein. Vor dem Hintergrund der total polarisierten Innenpolitik, bei der sich die beiden großen US-Parteien nur noch feindselig gegenüberstehen, werden diese Bilanzen sehr unterschiedlich ausfallen. Für die Republikaner ist Obama eine Art Gottseibeiuns: Alles, was der Demokrat außen- und innenpolitisch angefasst hat, ist in ihren Augen schiefgegangen. Führungsschwäche und Ahnungslosigkeit lauten dabei die harmloseren Kritikpunkte. Tatsache ist freilich auch, dass angesichts der großen Hoffnungen, die Obama bei seinem Amtsantritt im Jänner 2009 im In- und Ausland geweckt hatte, auch viele jener enttäuscht sind, die ihm niemals mit einem derartigen Hass und einer solchen Bösartigkeit begegnet sind wie eingefleischte Republikaner.

Man kann die Dinge aber auch ganz anders sehen. Zum Beispiel so wie der US-Historiker Alfred McCoy von der University of Wisconsin-Madison. In der Kulturzeitung „Lettre International“ (Nr. 111) beschreibt er Obama als einen von nur drei „Großmeistern der Geopolitik“, die die USA hervorgebracht hätten: Elihu Root, der der eigentliche Architekt des Aufstiegs der USA zur Weltmacht gewesen sei; Zbigniew Brzeziński, der die Fäden beim Niedergang der Sowjetunion gezogen und so die USA zur einzigen Supermacht gemacht habe; und eben Barack Obama, der einen „imperialen Entwurf zur Zügelung von Chinas Wachstum“ vorgelegt habe.

McCoy wörtlich: „Sehr zur Bestürzung seiner Kritiker entpuppt Obama sich in den letzten Monaten seiner Präsidentschaft von Iran bis Kuba, von Burma bis zum Pazifik als amerikanischer Stratege, der möglicherweise das Fundament für die fortgesetzte Vorherrschaft der USA auf dem Planeten bis tief ins 21. Jahrhundert gegossen hat.“ Obama hat das in jeder Hinsicht kostspielige militärische Engagement der USA im Irak und in Afghanistan zurückgeschraubt, den Atomvertrag mit dem Iran ermöglicht, die Aussöhnung mit Kuba eingeleitet, die Transpazifische Partnerschaft initiiert, die USA nach der Öffnung Burmas dort in Position gebracht. Es gehe darum, vermutete deshalb auch die Pekinger Zeitung „Global Times“, überall „Chinas wachsenden Einfluss auszugleichen und den früheren amerikanischen Einfluss zurückzugewinnen“.

China aber hat seine eigene Agenda und Pläne auf dem geopolitischen Schachbrett. In Eurasien und darüber hinaus bringt es sich in Position, wie in drei Beiträgen im Berliner Magazin „Internationale Politik“ (1/2016) analysiert wird. Kernpunkt der chinesischen Bemühungen ist das Megaprojekt „Ein Gürtel, eine Straße“, mit dem China zu Wasser und zu Land seine wirtschaftliche Zukunft sichern will und als geostrategischer Akteur auftritt. Vielleicht sehen die deutschen Autoren die Ambitionen Pekings aber doch etwas blauäugig, wenn sie diese als „defensiv“ charakterisieren und das immer forschere außenpolitische Auftreten der Chinesen als Reaktion auf die US-Politik beschreiben. In der Nachbarschaft der Volksrepublik sieht man das jedenfalls völlig anders.

Wie auch immer, laut Alfred McCoy prallen da zwei gegenläufige geopolitische Strategien aufeinander. „Inwieweit Peking der Zusammenschluss von Asien, Afrika und Europa zur Weltinsel gelingen wird oder ob Obamas Strategie, diese Landmasse mithilfe des transozeanischen Handels aufzuspalten, aufgehen wird, wird sich erst in ein, zwei Jahrzehnten zeigen.“ Sichtbar aber seien bereits die Parameter eines epochalen geopolitischen Wettbewerbs.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2016)

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