Wenn Journalisten sich zu nahe am Kreis der Mächtigen aufhalten

Ein deutscher Kollege rät uns Medienleuten, die eigene Arbeit selbstkritisch zu hinterfragen: „Seid demütig!“

Bei einem Teil des Medienpublikums bekommt mittlerweile alles, was dieser im Fernsehen sieht, im Radio hört und in den Zeitungen liest, sogleich den Stempel „Lügenpresse“ verpasst. Inzwischen ist das schon richtig fad, denn was all die Ankläger selbst so alles an Meinungen verbreiten, lässt sich unter dem Titel Hass, Hetze und modrige Propaganda zusammenfassen. Die andere Sache ist freilich, dass die etablierten Medien gut daran tun würden, immer wieder innezuhalten und das eigene Tun und Wirken selbstkritisch zu hinterfragen. Dazu riet noch in der Juninummer des Berliner Monatsmagazins „Cicero“ der Journalist Frank A. Meyer: „Seid demütig“, rät er da in einem Kommentar der Kollegenschaft und reibt der Journalistenzunft ein paar ihrer Fehler unter die Nase.

Seine Kernkritik lautet: „Journalismus ist zu einem Teil der schaltenden und waltenden Elite geworden.“ Meyer sieht die Journalisten einerseits als viel zu abgehoben (von ihrem eigenen Publikum), andererseits in einer viel zu großen „Nähe zu Politik und Wirtschaft, zu den Mächtigen der Gesellschaft“. Stimmt, nur dass dieses Naheverhältnis im Kultur- oder im Sportjournalismus zum Teil noch viel enger ist.

Meyers Kritik am Journalismus trifft auch dort ins Schwarze, wo er eine „stilbildende Schwarmmentalität“ ausmacht: „Den Kollegen gefallen und keinesfalls missfallen zu wollen, schlägt sich im jeweils gerade angesagten Denken und Schreiben nieder – unmerklich für die Journalisten, sehr merklich für den Medienkonsumenten.“ In den diversen sozialen Medien geht es manchen Kollegen nur noch darum, wie viele „Likes“ sie von anderen Kollegen bekommen und wie oft ihre Beiträge geteilt werden – nicht um die kritische Rezeption des Berichteten und das Kommentierten durch Seher, Hörer, Leser. Meyer glaubt auch, dass die Lebensläufe der heutigen Medienmitarbeiter nicht mehr die Vielfältigkeit einer Gesellschaft abbilden.

Medien seien nicht die vierte Gewalt, als die sie sich selbst gern darstellen, sondern „sie sind eine Institution des Fragens. Journalisten haben die Aufgabe, ihrem Publikum Wissen zu liefern und Verstehen zu ermöglichen. Eine noble Aufgabe. Eine der nobelsten, die eine offene Gesellschaft zu vergeben hat: Die Journalisten stellen die Fragen, welche die Bürger in die Lage versetzen, ihrerseits Fragen zu stellen – denn nur sie sind in der Demokratie die legitimierte letzte Kontrollinstanz.“

Das US-Montagsmagazin „Atlantic“ widmet sich in seiner Juniausgabe der demografischen Entwicklung in der Volksrepublik China – und sieht da eine gesellschaftliche Krise heraufdämmern: Während heute noch fünf arbeitende Menschen auf einen Pensionisten in China kommen, wird das Verhältnis 2040 1,6 zu eins betragen, die Zahl der Pensionisten wird von rund 100 Millionen im Jahr 2005 auf 330 Millionen (2050) steigen. Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung für den Staatshaushalt werden gewaltig sein. Möglicherweise, heißt es da, werde sich die 1978 eingeführte und inzwischen wieder abgeschaffte Ein-Kind-Politik noch einmal als „einer der großen historischen Schnitzer“ erweisen.

Im Kontrast zum schrumpfenden Arbeitskräftepotenzial in China wächst dieses – dank Einwanderung – in den USA ständig weiter. Ganz im Gegensatz zu dem, was Donald Trump seinen Landsleuten erzählt, schreibt Howard F. French von der Columbia University da: „Vielleicht trägt Einwanderung mehr als jeder andere Faktor zur Aufrechterhaltung des Wohlstands in den USA bei.“


Emails an: burkhard.bischof@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 11.07.2016)

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