In Südkorea spielen sie jetzt den „Gangnam Blues“

Für das nordostasiatische Erfolgsland und seine Präsidentin ist das ablaufende Jahr zum Annus horribilis geworden.

Österreich habe keine politische Rücktrittskultur, hieß es in der Vergangenheit immer wieder. Und zwar immer dann, wenn sich in Bund oder Ländern Politiker weigerten zurückzutreten, nachdem in ihrem Zuständigkeitsbereich Unregelmäßigkeiten aufgedeckt worden waren. In schweren Zeiten läuft man nicht davon, rechtfertigen die Beschuldigten dann, dass sie ihre Sessel mit Superkleber eingeschmiert haben. Aber Sesselkleben ist beileibe keine österreichische Spezialität – siehe Südkorea.

Auch für Südkorea, diese bewundernswerte Erfolgsgeschichte Nordostasiens, ist dieses auslaufende Jahr ein Annus horribilis geworden. Der nicht nachlassende militärische Druck durch laufende Atom- und Raketentests des aggressiven nördlichen Nachtbarn; dann das explodierende Galaxy Note 7, das die Paradefirma Samsung weltweit zurückrufen musste – und nun das eingeleitete Amtsenthebungsverfahren gegen Staatschefin Park Geun-hye. Wirtschaft und Politik des Landes sind im Schockzustand. Die Berliner Fachzeitschrift „Internationale Politik“ widmete Südkorea ein Spezialheft, betitelte es mit „Gangnam Blues“ – in Anspielung auf das millionenfach erfolgreiche südkoreanische Musikvideo „Gangnam Style“.

Das Magazin fragt sich, ob die Übermacht der Chaebols – der Großunternehmen wie Samsung, LG oder Hyundai –, die seit den 1960er-Jahren die Lokomotiven des südkoreanischen Wirtschaftswunderzuges waren, inzwischen nicht sogar zum Hindernis für die weitere Entwicklung des Landes geworden ist: wegen ihrer engen Vernetzung mit der Politik (auch die Affäre Park hat mit finanziellen Verbindungen zu Chaebols zu tun); wegen des ungeheuren Entwicklungs- und Konkurrenzdrucks und des ständigen Anziehens der Kostenschraube innerhalb dieser Großunternehmen. „Die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft sind schon so weit gediehen, dass man in der Gesellschaft kein Vertrauen mehr hat“, erklärt Professor Eun-jeung Lee, die den Lehrstuhl „Koreastudien“ an der FU Berlin innehat. Der Asienexperte Bernhard Bartsch von der Bertelsmann-Stiftung wiederum sieht in der Orientierungslosigkeit der politischen Führung das Hauptproblem: „Park Geun-hye ist die Letzte einer Reihe glückloser Vorgänger, die vergeblich versucht haben, Südkorea innen- und außenpolitisch neu zu positionieren.“

Jedenfalls ist die Tatsache, dass in den vergangenen Tagen und Wochen Millionen Südkoreaner auf die Straße gegangen sind, um den Rücktritt ihrer Präsidentin zu fordern, nicht nur Hinweis auf das tiefe Misstrauen gegenüber der Elite des Landes, sondern ebenso wie die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens auch ein Indiz für die quicklebendige und solide südkoreanische Demokratie.

Wer je Südkorea bereist oder sich in der Volksrepublik China als Besucher aus „Audili“ zu erkennen gegeben hat, wird berichten können, dass er auf den Goldenen Saal des Wiener Musikvereins angesprochen wurde. Auch in Ostasien ist das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ein TV-Großereignis. Also fehlt ein Foto des einzigartigen Konzertsaals nicht in der neuesten Ausgabe von „Die Presse“-Geschichte, dem mittlerweile fünften Heft dieses Geschichtsmagazins. Es sind 122 Seiten über Gold geworden – dieses Edelmetall, das zu besitzen die Menschen besessen macht. Unter der Leitung von Nikolaus Jilch und Tina Stani sowie dem Gestalter Matthias Eberhart ist ein außergewöhnliches Heft zustande gekommen – informativ, thematisch vielseitig und toll bebildert. Passt wunderbar unter das goldenen Lametta der Christbäume.

Emails an: burkhard.bischof@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 12.12.2016)

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