Ehrung einer verdienten Institution oder Menschenverachtung?

Der Realität ins Auge sehenZur Berichterstattung über das Abtreibungsklinik-Jubiläum
Muss man eine Abtreibungsklinik wirklich feiern? Ohne das Thema zu ideologisieren, wir feiern ja auch keine Kläranlage, so notwendig sie ist.

Ein Volk mit Zukunft braucht Kinder. Warum? Wie viele? Je mehr Kinder ein Volk hat, desto mehr entsteht die Forderung „Ein Volk braucht Raum“. Schon einmal gehört? Die permanente Vermehrung einer Bevölkerung – etwa zur Sicherung der Pensionen – gleicht einem Pyramidenspiel. Wann wird man sich dessen endlich bewusst werden? Der gegenwärtige Bankenkrach ist doch auch das Ergebnis dieses Pyramidenspiels.

Bischof Küng zitiert: „Jedes Kind, das empfangen wurde, ist einmalig, ein Projekt Gottes“. Kann er bitte erklären, was mit jenen Vielen ist, die ungewollt plötzlich als Abortus abgehen: im Klosett verschwinden, über das Kanalsystem in der Kläranlage landen, letztlich kompostiert werden? Das ist nicht zynisch gemeint, schon gar nicht den betroffenen Müttern gegenüber! Nur – wer so vehement gegen Abtreibung auftritt, muss auch dieser Realität ins Auge sehen und sie erklären können!

HR Dr. DI Peter Swittalek
4575 Roßleithen

„Scheinheilige“ DebatteDie von den katholischen Bischöfen angezettelte Abtreibungsdebatte ist im wahrsten Sinn des Wortes „scheinheilig“. Denn natürlich wissen die Herren, dass es niemandem darum geht, Abtreibungen zu feiern, sondern einer Institution des Gesundheitswesens Anerkennung für eine 30-jährige Tätigkeit auszusprechen, die teilweise unter schwierigen Bedingungen erfolgte. Hinter der vordergründigen Position der Kirche ist leicht zu erkennen, dass es den Bischöfen darum geht, die Zeit wieder einmal zurückzudrehen. Möglicherweise wäre es notwendig, in Erinnerung zu rufen, wie die Wirklichkeit ungewollter Schwangerschaften vor der Fristenlösung aussah – illegale, teuer bezahlte Abtreibungen unter Gesundheits- und Lebensgefahr, die auch die berufliche Existenz von Ärztinnen und Ärzten gefährdeten.

Wenn die Herren Bischöfe behaupten, dass sie dorthin nicht zurückwollen, so klingt das wenig glaubwürdig, da sie mit schöner Regelmäßigkeit die eine oder andere Gelegenheit nützen, an die Unzukömmlichkeiten der Fristenlösung zu erinnern. Nun gibt es natürlich kein perfektes Gesetz, und jedes Gesetz ist nur so gut wie die damit gelebte Realität. Aber in mehr als 35-jähriger Tätigkeit als Psychiater und Jugendpsychiater habe ich oft genug erfahren, wie wichtig die Möglichkeit des legalenSchwangerschaftsabbruchs in schwierigen persönlichen Situationen sein kann und dass diese Möglichkeit – mit allen begleitenden Maßnahmen – dazu beitragen kann, die psychische Gesundheit junger Frauen zu erhalten. Die Position der Bischöfe ist kein solcher Beitrag.

Univ.-Prof. Dr. Ernst Berger
FA für Psychiatrie, Jugendpsychiatrie

und Kinderneurologie

1010 Wien

Euphemismus „Fristenlösung“In Kempten (Allgäu) stellte man als Anschauungsmaterial 1000 Paar Kinderschuhe auf einen großen Platz. So viele Schuhe müssen nämlich täglich leer bleiben, denn die Kinder, die sie tragen sollten, werden Tag für Tag getötet (T. Schürer, Das Grauen sichtbar gemacht, Der Durchblick Nr. 59, S. 14f.). Eine solche oder ähnliche Veranstaltung wäre in Wien nach dem 30-jährigen Bestehen der Tötungsstätte am Fleischmarkt längst fällig, jedoch keinesfalls ein festlicher Empfang samt Ehrung dieser „Einrichtung“ im Rathaus.

Unsere gesamte Rechtsordnung ist auf den geschätzten Rechtsgütern aufgebaut, also dem Recht auf Leben, auf Freiheit etc. Umgekehrt werden im Strafgesetzbuch diese Werte negativ definiert: An erster Stelle steht der Mord. Dass die Abtreibung, euphemistisch „Fristenlösung“ genannt – ein Vokabel, das an den Ausdruck „Endlösung“ erinnert – straffrei bleibt, ändert an der Tatsache selbst nichts.

Dr. Lore Kummer
1160 Wien

Verantwortung übernehmenFolgende Zeilen sollten im Bewusstsein der Tatsache gelesen werden, dass lediglich ein winziger Bruchteil der abtreibenden Personen – für mich ist ein Mann irgendwie genauso abtreibende Person wie seine Partnerin – minderjährig ist. Der größte Anteil der Abtreibungen wird von Personen zwischen 25 und 40 vorgenommen. Personen, die im sogenannten „besten Lebensalter“ stehen und sonst auf ihr Verantwortungsbewusstsein sehr stolz sind.

Im überwiegenden Teil der Fälle muss die Frau diese Verantwortung allein tragen. Es gibt inzwischen Männer, die darauf gekommen sind, dass auch sie allein genauso wirksam verhüten und die Verantwortung tragen können. Ungewollte Schwangerschaften, Vergewaltigungsopfer ausgenommen, und eventuell anschließende Abtreibungen gibt es nur, wenn weder der Mann noch die Frau diese Verantwortung wahrgenommen haben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt haben beide Personen für mich ihr Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper verspielt.

Jetzt kommen viele Politikerinnen und einige Politiker und reden den Frauen ein, dass sie mit der Abtreibung ihr Recht auf die Selbstbestimmung über ihren Körper wahrnehmen. Das Gegenteil ist der Fall. Mit der Abtreibung verzichten diese Frauen und Männer gerade auf dieses Recht. Sie haben ihre Chance aber gehabt.

Mag. Foad Mahfoozpour
1110 Wien

Mut zum Pluralismus„Kinder: Nicht mehr Gabe, sondern Habe?“, Gastkommentar von Hildegunde Piza, 2. September
Danke, dass Sie mit diesem Gastkommentar Mut zu echtem Pluralismus gezeigt haben: nicht allen Seiten ihre Stimme geben, sondern einer wichtigen Stimme auch ihr richtiges Volumen zu geben. Mehr Wissen und Gewissen bilden als beliebige Meinungen drehen oder nach den Gesetzen des Marktes kommerzialisieren. In unserer Gesellschaft und bei den Meinungsmachern sollte es zur Regel werden, Originalität zu zeigen: sich gegen den Strom der Mehrheit auflehnen können, flache, wenig reflektierte Lifestyle-Muster und kurzlebige Denkweisen aus unüberprüfter Herkunft brechen können, ein Ansporn sein können.

Im Falle der Thematik Leben und Abtreibung hat auf alle Fälle der Einsatz für das Leben, für die Mutter in Not, für die vom Leben Benachteiligten etwas sehr Anziehendes an sich. Das kann nicht jeder – wäre toll, wenn das „Die Presse“ von allen Medien am besten könnte.

Johanna Finger
1180 Wien

Menschenverachtende HaltungWer wird normalerweise geehrt? – Doch jemand, der eine außergewöhnliche Leistung vollbringt, die sich positiv auf die Gesellschaft auswirkt. Worin soll aber die außergewöhnliche Leistung einer Abtreibungsklinik bestehen? Etwa darin, dass dort heranwachsende Menschen getötet werden?! Was steht denn hinter den starken Stimmen für die Abtreibung? Doch wohl nur eine menschenverachtende Haltung, die umso schlimmer ist, da sie sich hinter einem Deckmantel versteckt, der das „Recht der Frau“ genannt wird. Denn welches Recht sollte ein Mensch haben, über das Leben eines anderen zu verfügen? Nur weil von außen noch nicht sofort sichtbar und völlig angewiesen auf das Leben der Mutter, soll einem Kind das Recht abgesprochen werden, leben zu dürfen?!

Es kann nicht recht und schon gar nicht positiv für eine Gesellschaft sein, die als Vorbilder hinzustellen, die sich an der Tötung der nächsten Generation beteiligen und sie forcieren, noch dazu mit Lügen und Manipulation. Das ist das Zeichen für die Morbidität einer Gesellschaft, die sich selbst umbringt. Es wird Zeit, ernsthaft umzudenken und nach vorne zu schauen! Das Leben wirklich zu fördern und zu unterstützen – und, je schwächer es ist, zu schützen! Aber nicht die als Helden zu verkaufen, die am Untergang einer Gesellschaft fleißig mitarbeiten!

Melanie Lutterotti
2344 Maria Enzersdorf

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2009)

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