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Rund ums Sterben kommt es besonders darauf an, was gesagt wird und wie es gesagt wird. Welches Wort gibt Geborgenheit?

BIMAIL VON Dominik Markl SJNach jahrzehntelanger Bemühung gelang es der englischen Ärztin Cicely Saunders 1967, das St. Christopher's Hospice in London zu gründen. Ihr Engagement sowie die Sterbeforschungen von Elisabeth Kübler-Ross brachten die internationale Hospizbewegung ins Rollen. In Österreich wurde sie besonders durch Sr. Hildegard Teuschl im Wiener Kardinal-König-Haus gefördert. Unheilbar kranke Menschen finden im Hospiz eine letzte Herberge in familiärer Atmosphäre, oder sie werden vom „mobilen Hospiz“ im eigenen Zuhause betreut.

Die Hospizbewegung hat durch die professionelle Koordination von ärztlichen, pflegerischen und seelsorglichen Diensten, durch den hohen Respekt vor sterbenden Menschen und die Einbeziehung ihrer Angehörigen in die gemeinsame Sorge einen ganzheitlichen und seelisch heilsamen Weg gefördert, die letzte Lebensphase zu begleiten. Auf diese Weise hat sie wohl den wirksamsten Beitrag gegen die Verdrängung von Sterben, Tod und Trauer geleistet.

Die letzten, oft schweren, aber auch chancenreichen Lebenssituationen erfordern besonderes Feingefühl. Bei vielen, die vor dem Sterben stehen, brechen neue religiöse Fragen auf, selbst wenn ihnen Religion im bisherigen Leben nicht wichtig war. Hier ist es eine überaus sensible Aufgabe, passende Worte zu finden.

Die Suche nach den richtigen Worten bewegt auch Jesus im Umgang mit den Menschen, die um Lazarus trauern. Wenn er in dieser Situation für alle hörbar ein Gebet spricht, tut er dies nicht aus dem Bedürfnis, seine Frömmigkeit zur Schau zu stellen oder sich in seiner Unsicherheit zu vergewissern. „Ich wusste, dass du mich immer erhörst.“ Nein, er spürt, was dem Glauben der Menschen um ihn helfen kann. „Wegen der Menge, die um mich herumsteht, habe ich es gesagt.“ Ein Negativbeispiel hingegen geben die Freunde des schwerkranken Ijob. Zwar erweisen sie sich zunächst als echte Freunde, indem sie sieben Tage und Nächte lang schweigend bei ihm bleiben (Ijob 2,13). Doch dann antworten sie Ijob, der Gott anklagt, mit ihrem angelernten Schulglauben. Sie sprechen über Gott, während Ijob viel mehr zu Gott spricht. Sie versuchen ihr Weltbild zu konservieren, anstatt aus der Situation ihres Freundes etwas Neues lernen zu wollen. Sie halten sich für fromm, dabei verletzen sie ihren Freund. „Ihr seid Lügenschmierer, Kurpfuscher, ihr alle!“ (Ijob 13,4) Einzig die Begegnung mit Gott selbst kann Ijob trösten. „Nur vom Hörensagen hatte ich von dir gehört; jetzt aber hat mein Auge dich gesehen“ (42,5).

Jede und jeder kommt in Situationen der Trauer, des Abschieds und des Sterbens. Oft hilft nur das Dasein, Aushalten und Zuhören. Manchmal braucht es auch die richtige Sprache, einen Zuspruch, in dem man sich aufgehoben fühlen kann. Welches Wort gibt Geborgenheit?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2010)

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