Hinter dem Sermon von Hu Jintao verbirgt sich nackter Machtanspruch.
Dass die politischen Systeme Chinas und der Vereinigten Staaten inkompatibel sind, hat nicht nur mit der ideologischen Kluft zwischen West und Ost zu tun. Wer zum gestrigen Auftakt des Parteitags der Kommunisten die Bilder der somnambulen, nach Peking zum Abnicken abkommandierten Apparatschiks gesehen hat, kann nur zu dem Schluss kommen, gegen die Etablierung einer Demokratie westlicher Prägung in China sprechen auch gesundheitliche Gründe: Für einen nicht unbeträchtlichen Teil der in der Großen Halle des Volkes versammelten Funktionäre würde eine Wahlnacht à la USA wohl mit dem Herzinfarkt enden.
Daher ist es nur logisch, dass der scheidende Staats- und Parteichef Hu Jintao in seiner Abschiedsrede vom ewig währenden Primat der Partei sprach. Denn diese Hegemonie ist das Kernelement des Geschäftsmodells der Kommunisten: Es gibt nur eine Partei – unfehlbar, unumstritten, über dem Gesetz stehend. Nur sie kennt den Pfad in die Zukunft, und wer sich ihr in den Weg stellt, muss eliminiert werden.
Das klingt zugegebenermaßen etwas harsch. Doch genau diese Wahrheit verbirgt sich hinter dem wohlklingenden Sermon von Wachstum, Gerechtigkeit und Wohlstand für alle, der von Hu und Konsorten in schöner Regelmäßigkeit abgesondert wird. Insofern sind die Bilder aus Peking trügerisch. Die dösenden Parteikader mögen zwar friedfertig wirken. Doch sie würden alles tun, damit ihnen niemand ihren süßen Schlaf raubt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2012)