Ein Schiele-Preis für mehr Kunstquote!

Der Turner-Preis ging heuer an die Künstlerin Elizabeth Price. Sie kennt jetzt die ganze Welt – das könnten wir in Österreich doch auch!

Es war ein klassisches Wiener Erwachen Dienstagfrüh. In London war in der Nacht der Turner-Preis vergeben worden, teilte mir Ö1 mit. In Wien der Kabarettpreis. Guten Morgen, Kulturnation Österreich.

Nicht, dass ich den Engländern ein bisschen Spaß nicht vergönnen würde, sie hätten sich zur Abwechslung einmal einen Kabarettpreis verdient: Die heurige Turner-Preis-Ausstellung, immerhin der populärste Preis für jüngere Kunst im europäischen Raum, war heuer, ja, eher fad. Zwar war auch Performance-Lady Spartacus Chetwynd mit ihren theatralischen Kostümorgien vertreten. Aber das wirkte ziemlich „dated“, wie eine Kollegin Derartiges immer so schön beschreibt. Sonst gab es wenig Aufregung um diesen Preis, der vor allem von der Aufregung um ihn lebt: Man denke nur an gestürmte Turner-Ausstellungen mit dem ungemachten Liebeslotterbett von Tracey Emin oder den moralisch herausfordernden Arrangements der Chapman-Brüder. Die Spektakulärsten haben zwar selten gewonnen, so wie heuer die spröde Videokünstlerin Elizabeth Price, die eine zumindest suggestive Collage aus historischen und aktuellen Bildern rund um einen Kaufhausbrand ablieferte. Aber der Turner-Preis war und ist ein (internationaler) Medienerfolg: Die Pinnwände in der Ausstellung der Tate Britain gehen vor Kommentaren der Besucher über, die TV-Übertragung der Preisvergabe inklusive Diskussion sind weitere Chancen der Vermittlung und der Identifizierung.

Denn das haben die Briten uns voraus: Bildende Kunst ist ein nationales Anliegen. Da engagieren sich Schauspielstars (heuer überreichte Jude Law den Turner-Preis) selbstverständlich für die Kunst. Da werden landesweit hunderttausende Pfund für den Ankauf von Tizian-Gemälden gesammelt – während die Österreicher Klimt-Gemälden nur müde hinterherwinken. Und auf der „Tate Britain“ steht geschrieben: Das ist die Heimat der britischen Kunst! Stelle man sich die hochgezogenen Augenbrauen vor, lese man das an den Mauern des Belvedere, wo man sogar den Beinamen Österreichische Galerie schamhaft verschweigt. Wohl den Künstlern zuliebe.

Denn diese lieben ihre Heimat und deren Geschichte meist ebenso wenig, wie sie selbst geliebt werden. Vielleicht sollten wir daran langsam zu arbeiten beginnen. Vielleicht sogar mit einem Schiele-Preis dem nach William Turner benannten englischen Nationalpreis etwas entgegenzusetzen versuchen. Spektakulär dotiert. Mit großer Ausstellung und Prime-Time-TV-Übertragung. Das Niveau des heurigen Turner-Preises erreichen wir locker.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2012)

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