Netzgemeinde gegen Staatsgewalt

Die Reaktion der Mächtigen auf das freie Netz ist blanke Panik – beim Buchdruck war das ganz ähnlich.

Beim Internet darf man ruhig pathetisch werden. Nichts hat das Leben der Menschen seit dem Fall des Kommunismus nachhaltiger verändert als dieses Netz aus Computern, in dem es heute alles gibt, was man sich vorstellen kann – und dazu viel Unvorstellbares. Die langfristige Entwicklung ist heute noch gar nicht absehbar – es ist aber sicherlich nicht vermessen, das Auftauchen des Netzes mit der Erfindung des Buchdrucks zu vergleichen.

Vor allem, wenn man sich die Reaktion der Mächtigen auf die jeweilige technische Neuerung ansieht: blanke Panik hier wie da. Dass sich die Regierungen des Westens jetzt Lob bei der Netzgemeinde abholen, weil sie den Diktaturen des Ostens ein bisschen auf die Finger geklopft haben, sei ihnen vergönnt. Ihren eigenen Überwachungs- und Kontrollwahn mindert es nicht. Die unsägliche Vorratsdatenspeicherung ist immer noch aktiv. Das freut vielleicht Stasi-Nostalgiker, ist sonst aber als inakzeptabel zu verbuchen. Selbiges gilt für Indect und weitere Überwachungsprojekte unter der Federführung der ach so freiheitsliebenden EU.

Die gute Nachricht: Das Netz ist noch frei. Die schlechte: Reaktionäre Kräfte arbeiten auf allen Kontinenten dagegen. Es wird an der Netzgemeinde des 21. Jahrhunderts liegen, ihr Biotop gegen datengierige und brutale Staatsgewalt zu verteidigen. Und zwar überall, auch im „freien“ Westen.

E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2012)

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