Vertrauen ist überbewertet

Die Regierungskrise in Prag ist nichts, was sich nicht im Hinterzimmer regeln lässt.

Mit dem Vertrauen ist es so eine Sache: Es braucht viel Aufwand, um es aufzubauen, aber nur wenig Mühe, damit es wieder dahin ist. Insofern können die Beschuldigungen, die sich Tschechiens Regierungschef Petr Nečas und seine politische Wegbegleiterin Karolina Peake seit Donnerstag an den Kopf werfen, als Signal aufgefasst werden, dass im Prager Kabinett Feuer am Dach ist.

Sein Vertrauen in die von ihm wegen Ungehorsams abberufene Ministerin sei „in die Minuszone gefallen“, polterte der Premier bei einer eiligst einberufenen Pressekonferenz. Die geschasste Koalitionspartnerin revanchierte sich umgehend mit einem (ebenfalls öffentlichen) Vertrauensentzug und kündigte den Exodus ihrer Partei aus der Regierung an. Nimmt man diesen verbalen Schlagabtausch für bare Münze, dann müssen sich die ohnehin an Politikverdrossenheit leidenden Tschechen auf einen baldigen Wahlkampf einstellen.

Dass es (Vorsicht, Prognose!) wohl nicht dazu kommt, hat einen simplen Grund: In diesem Metier ist Vertrauen eine stark überbewertete Währung. Es ist kein Zufall, dass die Maxime „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ ausgerechnet vom Vollblutpolitiker Wladimir Lenin stammt. Abseits aller zur Schau gestellten Entrüstung ist die Wahrheit prosaisch: Nečas wollte sich nicht öffentlich desavouieren und Peake sich nicht ins Handwerk pfuschen lassen – allesamt Lappalien also, die mit einem gepflegten Schacher aus der Welt sind. Und dann ist alles wieder gut.

michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2012)

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