Gewinner des verkorksten Verfassungsprozesses sind jene Kräfte, die an Stabilität gerade kein Interesse haben.
Ägyptens Kopten feiern zwar erst am 7. Jänner Weihnachten, aber schon am 25. Dezember gab es für sie eine schöne Bescherung: die neue Verfassung, die das Potenzial hat, Staat und Politik in Ägypten zu islamisieren. Dass das für die immerhin gut zehn Prozent der Bevölkerung umfassende christliche Minderheit nichts Gutes bedeutet, kann man sich ausmalen.
Verlierer sind aber nicht nur Ägyptens Kopten und Frauen, sondern das ganze Land: Fast zwei Jahre nach dem Sturz Hosni Mubaraks hätte ein neues Grundgesetz Stabilität, Rechtssicherheit und damit eine Basis dafür bringen sollen, dass sich Ägypten von den Turbulenzen der Revolution auch wirtschaftlich wieder erholen kann. Das ging gründlich daneben.
Die Zurückhaltung der Muslimbrüder hielt genau bis zu ihrem Sieg bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen: Im Rausch ihrer neuen Machtfülle haben sie den Verfassungsprozess gekidnappt und das neue Grundgesetz mit ihren Vorstellungen von Staat und Gesellschaft gespickt. Es ist keine Verfassung, die das Land einen kann, sondern eine, die die Spaltung vertieft. Dass letztlich nur gut 20 Prozent der Wahlberechtigten dafürstimmten, ist schon fast ein Pyrrhussieg.
Die eigentlichen Gewinner des Prozesses sitzen sowieso woanders: Es sind jene in den höheren Militärkreisen konzentrierten Kräfte des alten Regimes, die an Stabilität gerade kein Interesse haben. Sie können erste Reihe fußfrei den Konflikt zwischen Islamisten und Liberalen beobachten und sich freuen. Denn solange diese Lager miteinander beschäftigt sind, bleiben die (wirtschaftlichen) Privilegien der eigenen Kaste unangetastet. Das Kalkül: Je länger Konflikt und Chaos dauern, desto lauter wird im Volk der Ruf nach der ordnenden Hand des Militärs.
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