Camerons Navi setzt aus

Der Premier argumentiert so, als ob nationalistische und wirtschaftsliberale Positionen zusammenpassten.

Der Fauxpas, eine Rede vorab zu verteilen, die dann nicht gehalten wird, ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass David Cameron und seinen Beratern Sensorien der politischen Navigation fehlen. Denn im Grunde hat sich der britische Premier mit seiner EU-Politik völlig verlaufen. Er kann weder die Mehrheit seiner Parteifreunde befriedigen, die einen Austritt fordern, noch findet er bei den EU-Partnern Verständnis für seine Forderung nach neuen Sonderrechten für die Insel. Er hat es mit Drohungen und Blockaden einfach zu weit getrieben.

Seine größte Schwäche aber ist ein Widerspruch in der Argumentation. Denn Cameron tritt für eine stärkere wirtschaftsliberale Linie der EU ein, er will den Binnenmarkt perfektionieren, behauptet er. Gleichzeitig fordert er die Befriedigung rein nationaler Interessen – beispielsweise für die Londoner City. Doch Nationalismus und Wirtschaftsliberalismus sind eben unvereinbar, das wissen selbst jene politischen Partner, die den fairen, freien Wettbewerb als höchstes Gut erachten. Cameron ist völlig isoliert. Die Rede hat er wohl deshalb auf unbestimmte Zeit verschoben.

wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2013)

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