Blattlinie: Nachrichten aus der Redaktionskonferenz

Herrenwitze und Zwitschersexismus. Hat die richtige Affäre Karriere gemacht?

Wie geht es in Sachen anzüglicher Witze und sexueller Untergriffe in der Gastronomie zu? Wie in Arztpraxen? Oder in Supermarktfilialen? Nun, man weiß es nicht so genau. Über den Umgangston in der Politik und im Journalismus dagegen, konkret in der Schnittmenge aus beiden, dem Politikjournalismus, wurde zuletzt viel und oft klug geschrieben (an der Stelle Dank an Falter-Autorin Sibylle Hamann für den Twitter-Begriff „Zwitscherfeminismus"). Die Teilöffentlichkeit liegt in der Natur der Sache. Als Journalist(in) räsoniert man halt vor Publikum, und in der Politikberichterstattung stehen viele, oft jüngere Frauen vielen, oft älteren Männern gegenüber. Das ergibt unterschiedliche Auffassungen darüber, was „lustig" ist.

Verschiedene Meinungen zur FDP-Causa Rainer Brüderle gibt es durchaus auch in Redaktionen - sei es, weil man über das Thema endlos diskutieren kann. Zum Beispiel darüber, wie, wann und ob man über solche Bargespräche schreibt. Edit Schlaffer argumentiert auf unserer Debattenseite, dass der Wähler ein gerechtfertigtes Interesse an persönlichen Aspekten von Politikern habe. Immerhin wählt man nicht nur ein Sachprogramm. Debattieren kann man auch über Fluch und Segen der nun herbeizitierten „amerikanischen Verhältnisse" (Klischee-Berichtigung liefert US-Korrespondent Oliver Grimm) oder über die fast selbstschädigende Unfähigkeit von Politikern, sich einfach zu entschuldigen. Zuletzt kann man sich auch fragen, ob eigentlich die richtige Affäre Medienkarriere gemacht hat: Kurz bevor die „Stern"-Journalistin Himmelreich ihren Abend mit Brüderle beschrieb, schilderte die „Spiegel"-Journalistin Annett Meiritz, wie sie von der Piratenpartei im Internet zur Prostituierten abgestempelt wurde. Herrenwitze im persönlichen Gespräch können demütigen, Verleumdung im Netz ist aber noch einmal eine andere Kategorie der Brutalität: Nennen wir sie doch Zwitschersexismus.

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