Der Vorwurf, Leiharbeiter überhaupt zu beschäftigen, ist unberechtigt.
Vieles am Online-Versandhändler Amazon ist kritikwürdig. Das weiß jeder, der die jüngst ausgestrahlte Dokumentation der ARD über ausländische Leiharbeiter in deutschen Logistikzentren des Versandriesen gesehen hat: So erhielten die Arbeiter nicht nur um rund einen Euro weniger pro Stunde, als ihnen in den Herkunftsländern versprochen worden war, sie wurden auch ständig von einer anscheinend im Neonazi-Milieu beheimateten Sicherheitsfirma überwacht. Beides ein Skandal, auf den Amazon durch die Kündigung der Sicherheitsfirma bereits reagierte.
Anders liegt die Sache jedoch bei dem in der Dokumentation erhobenen Hauptvorwurf (der auch den öffentlichen Aufschrei dominiert): Denn es ist definitiv kein Skandal, dass Amazon grundsätzlich Leiharbeiter beschäftigt. So gebietet es bereits die Logik, dass ein Unternehmen mit einer so außerordentlichen Auslastungsspitze in der Vorweihnachtszeit diese nur mit befristeten Arbeitern abdecken kann und dafür nicht den gesamten unbefristeten Personalstand erweitert.
Dies trifft nicht nur auf Händler wie Amazon zu. Auch Industriebetriebe decken konjunkturelle Spitzen häufig mit Leiharbeitern ab. Vielfach wird nun gefordert, das zu verbieten. Die Folge davon ist klar: Fixanstellungen? Nein. Weniger Jobs? Wohl schon eher.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2013)