Europas Sparer sind offenbar zu behäbig, um ihre Banken zu stürmen. Gut so.
Die Untergangspropheten müssen sich den Verlauf des gestrigen Tages ganz anders vorgestellt haben: bürgerkriegsähnliche Zustände vor den zypriotischen Bankfilialen, Straßenschlachten zwischen Mob und Exekutive, Rücktritt der Regierung, Oligarchen, die Geld per Schubkarren auf ihre Jachten überweisen, schreiende Kinder, bellende Hunde – fehlen nur noch Hunger und Pestilenz, dann wäre das apokalyptische Quartett komplett.
Nichts davon ist eingetreten. Selbst vor den Zweigstellen der Laiki-Bank – dem einzigen zypriotischen Institut, das der Schuldenkrise zum Opfer fällt – war der Menschenandrang am Donnerstag überschaubar. Vor jenen Filialen, die besonders stark belagert wurden, lag die Zahl der wartenden Kunden am Nachmittag im einstelligen Bereich. Ein Bank Run sieht anders aus.
Ist die Krise also abgesagt? Die Kassandras haben einen Faktor sträflich unterschätzt: die menschliche Trägheit, die zwar keine Berge versetzen, allerdings einen Bergrutsch verhindern kann, wie es sich in Nikosia gezeigt hat. Dabei war diese Entwicklung abzusehen, denn über die Zwangsenteignung der zyprischen Kontoinhaber wurde seit Monaten gesprochen, ohne dass sich etwas getan hätte. Die Bankkunden waren offenbar zu faul, um in der Zwischenzeit zu flüchten.
Wenn also eines Tages die Eurokrise ausgestanden sein wird, dann werden wir das zu einem Gutteil der Behäbigkeit der beteiligten Personen zu verdanken haben. Trägheit ist anno 2013 kein Laster, sondern eine Kardinaltugend.
michael.laczynski@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2013)