Schützt die Sprache vor Sprachschützern

Melange und Caffè Latte sind nicht nur Milchkaffee: Neue Wörter machen eine Sprache reicher, nicht ärmer.

Der 1997 gegründete, in Dortmund ansässige „Verein Deutsche Sprache“ hat sich wieder einmal zu Wort gemeldet: mit einer Liste von Anglizismen, die seiner Ansicht nach tunlichst durch deutsche Synonyme ersetzt gehören. Bemerkenswert daran ist, dass erstmals ein Wiener Verein namens „Muttersprache“ mitwirkt, der der Austria Presse Agentur (APA) immerhin versichert, dass es ihm „kein Anliegen“ sei, „Worte zu verbieten“. Wie nachsichtig!

Schon die wenigen via APA verbreiteten Beispiele allerdings sprechen dafür, dass bei diesen Vereinen mehr Purismus als Sprachgefühl waltet. So möge man statt „joggen“ lieber „dauerlaufen“ oder „freizeitlaufen“ sagen: Wie kann angeblich an Sprache interessierten Menschen der Unterschied zwischen den Erlebnisinhalten dieser Wörter nicht auffallen? Auch der Vorschlag, „Jeans“ durch „Nietenhosen“ zu ersetzen, ist grotesk. Die Nietenhosen sind längst für deutschtümelnde Skinheads reserviert.

Es ist das alte Elend deutscher Sprachschützer, denen nur die französischen an Rigidität überlegen sind: Sie sehen nicht ein, dass die Aufnahme von Wörtern aus anderen Sprachen eine Sprache nicht ärmer, sondern reicher macht. Dass das Englische so wunderbar nuancenreich ist, verdankt es nicht zuletzt seinem aus aller Welt (vor allem natürlich aus dem Französischen, Lateinischen und Skandinavischen) zusammengetragenen Wortschatz: Man stelle sich vor, Sprachschützer hätten es einst geschafft, das Vokabular auf den anglosächsischen Fundus zu beschränken, z.B. das Ketchup zurück nach China zu schicken. Englisch wäre nicht die Weltsprache, die es heute ist.

Dass diese die wichtigste Quelle für Neuzugänge im Wörterbuch ist, ist nicht verwunderlich. (Das war vor 2000 Jahren im Römischen Reich genauso.) Sie hat uns, wie gesagt, bereichert. Simples Beispiel: Wer „pink“ aus dem Sprachgebrauch verbannen wollte, müsste blind dafür sein, dass dieses Wort für eine andere Farbnuance als „rosa“ steht. Und wer gegen „einmal mehr“ kämpft, übersieht, dass diese aus dem Englischen übersetzte Fügung durchaus nicht gleichbedeutend mit „noch einmal“ ist.

Dass ein Baby etwas anderes ist als ein Säugling, eine Disco als ein Tanzlokal, ein Pub als ein Beisel... Muss man das einem Sprachverein erklären? Wir wissen nicht, in welchem Kaffeehaus er sich sammelt, aber wir wünschen ihm, dass dort der Kellner auf die Bestellungen „Caffè Latte“, „Großer Brauner“, „Cappuccino“ und „Melange“ einheitlich mit einem wurstigen „Ein' deutschen Milchkaffee können S' haben“ reagiert. Dann kann er ja immer noch gegen das Importwort „Kaffee“ protestieren...

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2013)

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