Vertrauen ist gut, Misstrauen ist besser

Was haben wir zu befürchten, wenn wir nichts zu verstecken haben? Sehr viel!

KOMMENTARWenn man etwas über einen Menschen erfahren will, braucht man heutzutage keinen Privatdetektiv mehr. Man braucht nur einen Internetanschluss und einen Facebook-Account. Es ist bemerkenswert, welche intimen Details Menschen freiwillig über sich bekannt geben.

Auch die NSA hat eine Facebook-Seite, aber die braucht sie nicht, um alles Mögliche über Menschen zu erfahren. Der US-Geheimdienst kann auf E-Mails zugreifen, auf Internetdaten, kann Telefongespräche abhören und sich Privatfotos anschauen. Man kann es schulterzuckend zur Kenntnis nehmen, weil sich wenig dagegen tun lässt, man selbst ohnehin schon den Überblick über den Datensalat verloren hat und weil man ja reinen Gewissens ist, da man nichts zu verbergen hat.


Man kann sich aber auch empören über die Arroganz einer Supermacht, die sich einmal mehr über Grundrechte hinwegsetzt. Nach der Inhaftierung ohne Prozess – Stichwort: Guantánamo Bay – und der Ermordung auf einen Verdacht hin – Stichwort: Drohnenprogramm – ist die Aufhebung jeglichen Datenschutzes für Nicht-US-Bürger noch das geringste Vergehen. Aber eines, von dem Millionen Menschen betroffen sind.

Haben die USA mit dem Programm die besten Absichten? Durchaus. Aber was ist, wenn aus der Jagd auf Terroristen eine Jagd auf Oppositionelle wird? Was, wenn Kritik an den USA schon als Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen wird?

Staaten haben ihre Macht in der Vergangenheit immer wieder missbraucht, und deswegen haben sie sich unser grundsätzliches Misstrauen verdient. Je weniger sie über uns wissen, umso besser.


norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2013)

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