Das Volk sind nie die anderen

Ägyptens Armee und die Muslimbrüder arbeiten zielstrebig daran, ihr verbliebenes Ansehen zu verspielen.

Sage noch einer, die derzeitigen Machthaber Ägyptens - die Armee - würden auf freundliche Bitten aus dem Ausland nicht reagieren: Tagelang hatten sich EU, USA und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bitter beklagt, dass die Militärs den von ihnen gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi - einen Muslimbruder - an unbekanntem Ort festhielten, ohne Anklage.

Nun hat sich die am Nil ja notorisch unabhängige Justiz ein Herz gefasst und geht gegen Mursi vor - alles in rechtsstaatlichen Bahnen also. Es fällt schwer, anders als mit Sarkasmus auf das Trauerspiel zu reagieren, das dieser Tage auf der ägyptischen Revolutionsbühne gegeben wird.

Man muss kein Prophet sein, um zu vermuten, dass wohl nie ans Tageslicht kommt, was in den Revolutionswirren 2011 geschah, als der Regimekritiker Mursi aus dem Gefängnis floh. Aber das soll es auch gar nicht. Es geht um einen Enthauptungsschlag gegen die Führung der Muslimbrüder. Doch die geben heute, nachdem sie kurz an der Macht schnuppern durften, nicht mehr klein bei, wie sie es früher getan hätten.

Beide Seiten haben jede Zurückhaltung aufgegeben: Die Islamisten preisen munter das „Märtyrertum", während die Armee am Freitag von der Straße ein Mandat zur „Bekämpfung des Terrors" holen wollte. Armee und Muslimbrüder arbeiten zielstrebig daran, auch noch ihr verbliebenes Ansehen zu verspielen. Und beide Seiten sprechen so gern vom „Volk", meinen aber damit aber immer nur sich. Das Volk, das sind nie die anderen. Behält diese Denkweise die Oberhand, dann wird Ägypten immer tiefer in Konfrontation und Chaos versinken.

helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2013)

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