Das plötzliche Interesse Berlins für Snowden

Die Zeit bloßen Aussitzens scheint vorbei zu sein.

Edward Snowden durch deutsche Ermittler befragen lassen? Am Ende gar in Deutschland? Aber nicht doch! Beharrlich versuchte Berlin bisher, den Eindruck zu erwecken, der Ex-NSA-Mitarbeiter könne aber auch gar nichts zur Aufklärung der Abhöraffären beitragen. Snowden auf deutschem Boden, wo er vielleicht auch noch bleiben will? Da wollte man es lieber nicht so genau wissen. Im Übrigen hätten ja die US-Behörden versichert, sie würden sich stets an die deutschen Gesetze halten.

Eine Wahl und Berichte über ein doch nicht so sicheres Merkel-Handy später ist alles anders: Sogar Hans-Peter Friedrich, der gar nicht genug Verständnis für die USA zeigen konnte, gewinnt nun der Idee, Snowden zu befragen, etwas ab und erwägt sogar, US-Diplomaten mit Abhörvita auszuweisen.

Lange sah es so aus, dass Regierende auf beiden Seiten des Atlantiks die Sache einfach aussitzen würden, dem transatlantischen Verhältnis zuliebe. Nun regt sich erstmals ernsthaft Widerstand in Europa, und man nimmt dies offenbar in Washington auch ernst.

Noch ist völlig unklar, ob, wie und wo es zu einer Befragung Snowdens kommen könnte. Aber vielleicht beginnt man ja in Berlin und anderen europäischen Kapitalen langsam darüber nachzudenken, ob man den Whistleblower wirklich unbedingt in Wladimir Putins Arme treiben musste.

helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2013)

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