Schweiz braucht neuen Vertrag mit EU

Die Abkommen zwischen Bern und Brüssel sind für ein Land mit einer so ausgeprägten Eigenständigkeit nicht geeignet.

Noch wagt keine Seite, das heiße Eisen anzupacken. Die Schweiz nicht, die nach dem Referendum über Zuwanderungsbeschränkungen die Abkommen zur Teilnahme am EU-Binnenmarkt wird brechen müssen. Die EU-Kommission nicht, die aus dem externen Problem kein internes Problem machen möchte. Denn einigen Ländern – allen voran Großbritannien – kommt die Debatte über Einschränkungen der Personenfreizügigkeit gerade zupass.

Keiner wagt aber auch, das eigentliche Thema anzusprechen: Das verflochtene Paket an Verträgen zwischen Bern und Brüssel hat nämlich in dieser Form sowieso keine Zukunft. Die Schweiz hat sich damit zwar die Teilnahme am Binnenmarkt ermöglicht, sie muss aber im Gegenzug alle neuen EU-Regeln nachvollziehen, ohne daran mitentscheiden zu können. Wenn Kommentatoren in der Schweiz jetzt behaupten, es sei beim Referendum nicht um Ausländer, sondern nur um das Selbstbestimmungsrecht gegangen, verbergen sie zwar das politische Potenzial der Xenophobie. Sie nennen damit aber einen durchaus realen Konfliktpunkt: Die derzeitige Vertragskonstruktion schränkt die Schweiz bei politischen Entscheidungen ein – und sogar mehr als jedes EU-Mitgliedsland.

In Wirklichkeit braucht die Schweiz einen neuen Vertrag mit der EU, der ihr zwar weniger Teilnahme am gemeinsamen Markt, aber dafür auch mehr Flexibilität bietet. Es liegt an den EU-Verhandlern, dies nicht als Strafaktion, sondern als Chance für ein besseres Verhältnis zu vermitteln.

wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2014)

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