Präzedenzfall Kosovo dringend gesucht

Russland will eine Unabhängigkeit Kosovos für Machtspiele in seinem Hinterhof nützen.

Hört, hört! Russland behält sich also das Recht vor, seine „Einstellung gegenüber den sogenannten nicht anerkannten Republiken auf dem postsowjetischen Gebiet zu ändern“. Offenbar kam Sergej Mironow, Vorsitzender des Oberhauses, seine eigene Formulierung zu gestelzt vor, und so legte er für die Freunde einer klaren Sprache nach: Sollten einzelne Länder – also die USA und EU-Staaten – eine Unabhängigkeit der abtrünnigen serbischen Provinz Kosovo anerkennen, werde man auch die Frage einer Anerkennung Abchasiens und Südossetiens aufwerfen. Diese beiden Regionen Georgiens sind der Kontrolle der Zentralregierung in unterschiedlichem Grad entzogen. Mit Billigung, ja Unterstützung Moskaus.

Dass Russland nicht aus Liebe zu Serbien oder zum Völkerrecht Belgrad im Kosovo-Konflikt die Stange hält, ist allen Beteiligten klar. Nun hat Moskau mit dem Zaunpfahl angedeutet, dass es eine Unabhängigkeit Kosovos dazu nützen will, in seinem Hinterhof reinen Tisch zu machen. Mit dialektischem Gespür – man könnte auch sagen: Unverfrorenheit – warnt Russland vor einer Kettenreaktion, die es selbst antreiben würde.

Juristen haben gute Argumente geliefert, dass Kosovo kein Präzedenzfall ist. Andere Juristen legten schlüssig das Gegenteil dar. Tatsache ist: Wer krampfhaft einen Präzedenzfall sucht, wird ihn auch finden. Tatsache ist weiters, dass Moskau in seinem Hinterhof ohnehin schaltet und waltet, wie es will – ganz unabhängig von der Unabhängigkeit eines Fleckens Land weit weg am Balkan. (Seite 6)


helmar.dumbs@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2007)

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