Die Mär von der Wahlfreiheit

Familienpolitik? Michael Spindelegger wird sich entscheiden müssen.

Im Grunde gibt es nichts gegen das schöne Wort „Wahlfreiheit“ einzuwenden, das Michael Spindelegger nicht nur, aber besonders gern im familienpolitischen Zusammenhang gebraucht. Wer sein Kind zuhause betreut wissen will, geht entweder länger in Karenz oder hat nette Großeltern. Wer möglichst bald wieder arbeiten gehen möchte, vertraut das Kind einem Kindergarten an.

So weit die Theorie. In der Praxis ist es nicht ganz so einfach. Denn Wahlfreiheit setzt zumindest zwei Möglichkeiten voraus, zwischen denen man sich entscheiden kann. Und viele Eltern haben mangels Kinderkrippen keine Wahl. Bei der Betreuung der unter Dreijährigen gehört Österreich nämlich zu den Nachzüglern in der EU.

Die Regierung hat das Problem zwar erkannt (bis 2017 fließen 305 Bundesmillionen in die Kinderbetreuung), aber so recht kann sich die ÖVP dann doch nicht vom alten Geldleistungsprinzip trennen. Dabei hat es Klubchef Reinhold Lopatka sehr gut zusammengefasst: Eine höhere Kinderbeihilfe sei nett, helfe alleinstehenden Müttern aber nur wenig. In Wahrheit führe der Weg zu einer modernen Familienpolitik nur über eine flächendeckende (Klein-)Kinderbetreuung, wie die skandinavischen Staaten gezeigt hätten.


Strategisch mag Spindelegger seine Gründe haben. Würde er auf den Kurs von SPÖ und Grünen umschwenken, überließe er viele konservative Wähler der FPÖ. Wobei das auch umgekehrt gilt: Das urbane Publikum und Teile der Wirtschaft werden sich (weiter) abwenden, wenn sich die ÖVP familienpolitisch nicht schneller bewegt. Irgendwann wird die Partei eine Richtungsentscheidung treffen müssen.

thomas.prior@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2014)

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