Das Balkan-Prinzip: Kriegsverbrecher sind immer die anderen

Die EU-Ermittler dekonstruieren mit ihrem am Dienstag vorgestellten Bericht eine kosovarische Lebenslüge.

Es ist ein guter Tag für den Kosovo. Auch wenn das viele Kosovo-Albaner nicht ganz so sehen, wurde doch ihre Untergrundarmee UCK erneut der Kriegsverbrechen beschuldigt. Zu lange hat man sich im Kosovo in der Mär vom gerechten Befreiungskrieg gesonnt, in dem so etwas wie Kriegsverbrechen denkunmöglich ist. Welch schöne Lebenslüge – aber eben eine Lüge, nach Lage der Dinge. Denn dass auch die UCK Verbrechen begangen hat, kann heute nicht mehr ernsthaft bestritten werden.

Kriegsverbrecher, das sind immer die anderen, man kennt den Reflex aus Kroatien (Stichwort: gerechter Verteidigungskrieg), man kennt ihn aus Serbien, wo nationalistische Politiker, gefragt zu serbischen Verbrechen, diese zwar heute nicht mehr komplett negieren können, aber oft wie Kleinkinder ein hilfloses „Aber der böse Bub da drüben hat auch“ brabbeln.

Im Kosovo war die Lage noch verschärft, weil führende Köpfe der U?K bruchlos vom Krieg in die Politik glitten und diese seither dominieren. Das Volk hasst sie längst – aber wegen korrupter Machenschaften. Nun gibt es, vermutlich zum letzten Mal, die Chance, individuelle Schuld bei Kriegsverbrechen gerichtlich zu klären. Ein für viele Kosovaren schmerzlicher Prozess. Aber ein für die Gesellschaft nötiger. Und darum ist es ein guter Tag für den Kosovo.

helmar.dumbs@diepresse.com

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