Wiens morbide Liebe für Geisterstädte

Für das ehemalige Flugfeld Aspern startet eine Umweltprüfung. Auf 240Hektar soll eine Stadt in der Stadt entstehen.

Das sind Zahlen, an denen Hardcore-Gigantomanen ihre Freude haben: 240 Hektar Land – werden verplant! Wohnungen für 20.000 Menschen – werden gebaut! 20.000 Arbeitsplätze – werden geschaffen! Die gesamten Kosten können für das selbst im europäischen Maßstab nicht gerade kleine Projekt noch nicht einmal annähernd geschätzt werden. Sicher ist: Auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern, draußen im 22.Wiener Bezirk, entsteht innerhalb der nächsten Jahre eine Stadt in der Stadt.

Und das darf ausdrücklich als Drohung verstanden werden. Denn zu oft hat Wien bewiesen, dass Stadtentwicklung für sie eher ein Fremdwort ist. Beispiel Rothneusiedl: Bisher ist nur fixiert, dass in den Süden der Stadt die U1 verlängert wird. Die Pläne für das zugesagte Fußballstadion liegen genauso auf Eis wie für das Konkurrenz-Einkaufszentrum zur Shopping City Süd. Von Wohnungen ganz zu schweigen. Gut möglich, dass in wenigen Jahren die U-Bahn inmitten von Feldern und Brachland endet. Idyllische Vorstellung, nicht?

Beispiel Donauplatte: Was war da nicht alles versprochen: Museen, Universitäten... Bis heute klagen Bewohner über fehlende Infrastruktur, nach Dienstschluss sind die Schluchten zwischen den Bürotürmen schlagartig leer gefegt. Beispiel Hauptbahnhof: Die Planungen für den neuen Stadtteil gestalten sich extrem zäh. Mit dem Schlimmsten muss gerechnet werden – wie für Aspern. Wien hat eben einen morbiden Hang dazu, Geisterstädte zu kreieren.


dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2008)

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