Jeder hat die Roma, die er verdient

Weil 27 Staaten an der Integration der Roma scheitern, soll Brüssel Wunder wirken. Dabei wäre die Lösung simpel: gleiches Recht für alle.

Nennen wir das Problem einfach beim Namen! – wenn das so einfach wäre: Roma, Sinti, Ashkali, Manouches, Fahrende... oder doch ganz unkorrekt Zigeuner? Jedenfalls sind das etwa 12 Mio. Menschen, und lebten sie nicht verstreut, würden sie das achtgrößte Land der EU stellen. Seltsam: Die reichste Weltregion, Vorreiterin in Sachen Menschenrechte, leistet sich ein disparates Heer von chronisch Armen, Arbeitslosen und Analphabeten, traumatisiert durch Jahrhunderte der Ausgrenzung. Ihre letzten Mittel sind viel zu oft Alkohol, Drogen und Kriminalität.

Das würden wir am liebsten einfach vergessen, aber die forschen Italiener erinnern uns mit Mini-Pogromen und Fingerprint-Razzien daran, dass auch die Gegenwart für Roma düster ist.

Erstmals durfte nun Europas größte Minderheit bei einem EU-Treffen über ihr Schicksal mitreden. Und siehe da: Die Roma wollen keine geförderten Siedlungen, sondern Zugang zu Sozialwohnungen. Sie brauchen keine Beschäftigungsprogramme für Hilfsarbeiter, sondern gut durchmischte Schulklassen. Die Hälfte der Roma in Osteuropa ist jünger als 20 Jahre. Statt ihr Potenzial zu nutzen, werden sie in Sonderschulen abgeschoben. Dabei wäre Bildung der einzige Hebel. Doch da müssten auch die „Europäer“ mitspielen und zulassen, dass ihr Nachwuchs die Schulbank mit den Schmuddelkindern drückt. Dann gäbe es vielleicht in zwei Generationen kein Problem mehr, um dessen korrekten Namen man ringen müsste. (Bericht: S. 7)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2008)

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