Müssen Liberale zwangsläufig für eine Suchtmittelfreigabe sein?
Der große Liberale Ludwig von Mises, Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, pflegte einen durch und durch bürgerlichen Lebensstil. Allerdings leitete er aus seiner ideologischen Einstellung ab, dass ein Liberaler, der gegen die Bevormundung des Bürgers durch den Staat auftrete, auch für eine Legalisierung von Drogen sein müsse.
Jahrzehnte später stehen die Liberalen noch immer vor einem Dilemma. Während die britischen Liberaldemokraten für die Legalisierung von Cannabis eintreten, ist die deutsche FDP eher dagegen, hat das aber nie so richtig deutlich gemacht. Die FDP tat das, was bislang auch die hiesigen Neos taten: Sie drückte(n) sich um die Frage herum. Nachdem jetzt aber die Parteiführung von der Parteijugend überrumpelt worden war, trat Neos-Chef Matthias Strolz die Flucht nach vorn an: Ja, seine Partei stünde nun für eine Freigabe von Cannabis.
Muss eine Partei, die sich liberal nennt, also zwangsläufig auch für eine Liberalisierung im Suchtgiftbereich sein? Nein, muss sie nicht. Gerade die Neos haben sich bisher ja nicht als Vertreter der liberalen Orthodoxie verstanden. Denn sonst müssten sie tatsächlich für eine „Wasserprivatisierung“ eintreten. Oder für eine des Schienennetzes. Auch beim Freihandelsabkommen TTIP sind sie skeptisch. Und erstaunlicherweise sind die Neos auf einem anderen Suchtmittelfeld restriktiv: Sie sind für ein generelles Rauchverbot in Lokalen.
Der Staat, den auch die Neos-Liberalen nicht ablehnen, kann wenig Interesse daran haben, dass zur einen legalen Droge, dem Alkohol, noch eine weitere hinzukommt. Daher setzt er hier – auch als Signal – eine Grenze. Wiewohl er weiß, dass diese überschritten wird. Weswegen auch die Sanktionen milde sind.
Und sollte jetzt jemand mit dem Recht auf Selbstbestimmung kommen: Im Fall einer Abhängigkeit – bei Cannabis zumindest psychisch möglich – ist diese eine relativ geringe.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2014)